Bank of England erwartet niedrigeres Zinsniveau
Von Andreas Hippin, London Die Bank of England geht offenbar davon aus, dass das Zinsniveau auf absehbare Zeit niedriger bleiben wird als bislang erwartet. Sie hat wohl deshalb die Schwelle für den Einstieg in den Abbau des zur Ankurbelung der Konjunktur zusammengekauften Staatsanleihenportfolios gesenkt, um den Ausstieg aus dem Quantitative Easing (QE) nicht in die allzu weit entfernte Zukunft zu verschieben. So sieht es zumindest Neil Birrell, Chief Investment Officer bei Premier Asset Management.Wie dem Protokoll der jüngsten Sitzung des geldpolitischen Komitees (MPC) zu entnehmen ist, könnte mit dem QE-Ausstieg nun schon begonnen werden, wenn der Leitzins auf 1,5 % gestiegen ist. Derzeit liegt er bei 0,5 %. Bislang hatte die Zentralbank zur Bedingung gemacht, dass die Bank Rate zuvor 2,0 % erreicht hat. Ob QE dann tatsächlich zurückgeführt wird, hängt von den dann herrschenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab. Die Volkswirte von Barclays wiesen allerdings darauf hin, dass am Sonia-Markt (Sterling Overnight Index Average) selbst ein Anstieg auf 1,5 % derzeit nicht vor 2027 eingepreist wird. Die MPC-Mitglieder stimmten mit 6:3 dafür, das Zinsniveau stabil zu halten. Der Staatsanleihenbestand von 435 Mrd. Pfund wurde unverändert beibehalten. Der Chefvolkswirt der Notenbank, Andy Haldane, schloss sich zur Überraschung vieler Ökonomen Ian McCafferty und Michael Saunders an, die sich erneut für einen schnelleren Ausstieg aus den in der Finanzkrise eingeleiteten geldpolitischen Notstandsmaßnahmen aussprachen. Alle drei votierten für einen Zinsschritt um 25 Basispunkte nach oben. Ausblick trübt sich einAuch die sechs anderen Mitglieder hielten die Schwäche der britischen Wirtschaft im ersten Quartal für zeitlich begrenzt, verwiesen jedoch darauf, dass sich der Ausblick für das globale Wachstum etwas eingetrübt habe. Die Finanzierungsbedingungen hätten weltweit angezogen. Zudem seien die britische Industrieproduktion und die Güterexporte im April trotz anderslautender Umfrageergebnisse schwach gewesen. Sie hielten es deshalb “für wert, zu beobachten, wie sich die Daten weiter entwickeln, um mehr darüber zu erfahren, in welchem Maß sich die Rahmenbedingungen so bewegen wie im Inflationsbericht vom Mai vorhergesagt”, heißt es im Protokoll.Ein Satz wurde unverändert aus dem Vormonat übernommen, was darauf hindeutet, dass eine Zinserhöhung im August keine ausgemachte Sache ist: “Nach bester gemeinsamer Einschätzung des Komitees wäre eine laufende Straffung der Geldpolitik während des Prognosezeitraums weiterhin angemessen, um die Inflation innerhalb eines konventionellen Zeithorizonts nachhaltig auf ihren Zielwert zurückzuführen, wenn sich die Wirtschaft im Großen und Ganzen im Rahmen der Prognosen des Inflationsberichts vom Mai entwickelt.” Es gilt allerdings als unwahrscheinlich, dass die anderen Vertreter der Zentralbank im Komitee auf Dauer gegen ihren Chefvolkswirt stimmen werden. Am Markt wurde nach Veröffentlichung des Protokolls eine Wahrscheinlichkeit von 68 % für eine Erhöhung des Leitzinses um 25 Basispunkte im August unterstellt. Zuvor war man noch von 48 % ausgegangen.”Die Bank scheint dazu entschlossen zu sein, im zweiten Halbjahr einen oder mehr Zinsschritte zu tun”, sagte die Volkswirtin Silvia Dall’Angelo von Hermes Investment Management. “Es gibt aber mehrere Gründe, lieber auf Nummer sicher zu gehen. Insbesondere die jüngsten harten Daten zur Industrieproduktion und Umfragen zur Wirtschaftsaktivität deuten darauf hin, dass die Chancen auf eine wesentliche Erholung nach dem schwachen ersten Quartal unsicher sind.” Die Risiken von Verwerfungen durch den Brexit seien weiterhin hoch. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Notenbank in ihren Modellen einen reibungslosen Verlauf des EU-Austritts unterstellt.