Bank of England ignoriert Energiepreise
Bank of England ignoriert Energiepreise
Leitzins um 25 Basispunkte gesenkt – Zentralbankökonomen erwarten Anstieg der Teuerungsrate auf 3,7 Prozent
Von Andreas Hippin, London
Die Geldpolitiker der Bank of England haben den Leitzins um 25 Basispunkte auf 4,50% gesenkt. Zwei der neun Mitglieder des Monetary Policy Committee wollten einen großen Schritt auf 4,25% nach unten gehen. Doch die Ökonomen der Zentralbank fürchten einen rasanten Anstieg der Teuerungsrate.
Schwindendes Wachstum und anhaltender Inflationsdruck: Das Wort Stagflation kommt im Protokoll der Sitzung des geldpolitischen Komitees der Bank of England zwar nicht vor. Doch die Symptome sind klar. Das Monetary Policy Committee (MPC) fasste den wachstumsfreundlichen Beschluss, die Bank Rate um 25 Basispunkte auf 4,50% zu senken.
Zwei der neun Mitglieder waren sogar für einen Schritt um 50 Basispunkte nach unten. Catherine Mann hatte sich der als geldpolitische Taube bekannten Swati Dhingra angeschlossen. Die ehemalige Citi-Chefvolkswirtin galt bislang nicht als Verfechterin einer schnellen Lockerung.
Wachstumsprognose halbiert
„Das sollte aber nicht unbedingt als Zeichen des Wunsches nach weiteren großen Zinsschritten interpretiert werden“, sagte Jessica Hinds, Direktorin bei Fitch Ratings. „Wie das Protokoll klarstellt, will sie die Bank Rate auf angemessenem Niveau nachkalibrieren, selbst wenn die Geldpolitik dafür einige Zeit restriktiv bleiben müsste.“ Die Notenbankökonomen halbierten ihre Wachstumsprognose für das laufende Jahr auf 0,75%, was die Tür für weitere Zinssenkungen weit öffnet. Am Markt wird die Wahrscheinlichkeit von drei weiteren Schritten mit rund 70% beziffert. Damit könnte der Leitzins Ende 2025 in der Nähe von 3,75% liegen.
„Willkommene Nachricht“
Eine „willkommene Nachricht“ nannte Schatzkanzlerin Rachel Reeves die Zinsentscheidung. „Aber ich bin immer noch nicht zufrieden mit dem Wachstum.“
Noch bedenklicher als die ins Stottern geratene Expansion der Wirtschaft ist jedoch die Prognose, dass die Teuerungsrate vor dem Hintergrund steigender Energiepreise im dritten Quartal 3,7% erreichen dürfte. Das Inflationsziel der Bank of England liegt bei 2,0%.
Keine Angst vor Zweitrundeneffekten
Das MPC befand, dass dies „nicht zu zusätzlichen Zweitrundeneffekten auf den zugrunde liegenden heimischen Inflationsdruck“ führen wird. Im Vergleich zu den Bedingungen während der Abfolge großer externer Kostenschocks in den Jahren 2021 und 2022 sei der Arbeitsmarkt nicht mehr so eng. Es sei daher unwahrscheinlich, dass sich ein Teil der beobachteten Dynamiken wiederhole.
„Dessen ungeachtet könnte die Schwelle für Zweitrundeneffekte jetzt angesichts des langen Zeitraums, in dem die Inflation über 2% geblieben ist, etwas niedriger liegen“, heißt es im Protokoll. Das MPC habe vielfach deutlich gemacht, dass es sich dem Inflationsziel verpflichtet fühlt und dass Preisstabilität für sein Handeln Vorrang habe, sagte Neil Mehta, Portfoliomanager bei RBC Bluebay Asset Management.
Reichlich Meinungsvielfalt im MPC
„Davon sind wir mit einer Kerninflation von mehr als 3% und einem Lohnwachstum von mehr als 5% weit entfernt“, sagte Mehta. „Eine weitere Lockerung birgt das Risiko einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation über 2% bleibt.“
Innerhalb des MPC gab es eine Reihe von unterschiedlichen Ansichten. Ein Teil der sieben Mitglieder, denen 25 Basispunkte ausreichten, war der Ansicht, dass die Unsicherheit rund um den wirtschaftlichen Ausblick für das Land zugenommen habe. Sie empfahlen deshalb eine sorgsame Herangehensweise bei der weiteren Lockerung der Geldpolitik.
„Aktivistischere Herangehensweise“
Andere warnten vor einer Angebotsschwäche und rieten zu vorsichtigem und schrittweisem Vorgehen. Mann sprach sich für eine „aktivistischere Herangehensweise“ an die Geldpolitik aus. Dhingra verwies auf die absehbar schwache Nachfrage. „Das ist ein Versagen der Politik“, urteilte Devere-CEO Nigel Green über die Zinsentscheidung. „Die Bank of England hat sich in eine Ecke manövriert, in der sie wegen der anhaltenden Inflation zu große Angst hat, die Zinsen aggressiv zu senken. Andererseits sieht sie klare Hinweise darauf, dass die Wirtschaft zum Stillstand kommt.“ Dadurch stelle sie eine längere Phase der Stagflation sicher.