Bank of England überrascht mit Zinspause
Bank of England überrascht mit Zinspause
Knappe Entscheidung im geldpolitischen Komitee – Beschleunigung des Anleihenverkaufsprogramms beschlossen
Es war eine haarscharfe Entscheidung: Mit 5:4 beschlossen die Geldpolitiker der Bank of England, den Leitzins auf 5,25% zu belassen. Anfang der Woche hatte man an den Finanzmärkten einen weiteren Zinsschritt noch für ausgemachte Sache gehalten. Doch die Teuerungsrate ging im August unerwartet zurück.
hip London
Die Bank of England hat sich überraschend dazu entschlossen, den Leitzins bei 5,25% zu belassen. Volkswirte und Finanzmarktteilnehmer hatten dagegen damit gerechnet, dass sie den 15. Zinsschritt in Folge tun und ihn um 25 Basispunkte erhöhen würde. Nachdem am Vortag Inflationsdaten veröffentlicht wurden, die trotz höherer Kraftstoffpreise eine schwächere Teuerung zeigten als allgemein erwartet, wurde dafür allerdings bereits eine geringere Wahrscheinlichkeit eingepreist als noch zu Anfang der Woche.
Die Entscheidung fiel denkbar knapp aus. Fünf der neun Mitglieder des geldpolitischen Komitees (Monetary Policy Committee, MPC) stimmten für die Zinspause. Bis auf Swati Dhingra gehörten alle der Führung der Notenbank an. Vier hätten lieber eine Erhöhung des Leitzinses auf 5,50% gesehen. Bei den Abweichlern handelte es sich um Jon Cunliffe, Megan Greene, Jonathan Haskel und Catherine Mann.
Cunliffe wird zum Abweichler
Dass mit Cunliffe ein stellvertretender Gouverneur gegen die Linie der restlichen Notenbankführung stimmte, ist bemerkenswert. Er hatte noch im März vergangenen Jahres gegen eine Zinserhöhung gestimmt und sich Minderheitsvoten für eine straffere Geldpolitik noch nie angeschlossen. Cunliffe zeichnet bei der Bank of England für das Thema Finanzstabilität verantwortlich. Allerdings wird er an der MPC-Sitzung im November schon nicht mehr teilnehmen. Ihn ersetzt Sarah Breeden, über deren geldpolitische Ideen bislang nichts bekannt ist.
Falken fürchten Zweitrundeneffekte
"Das Abstimmungsergebnis reflektiert die stark differierenden Ansichten über die Konjunktur- und Preisdynamik im Königreich", sagte die DWS-Volkswirtin Katrin Löhken. "Bei den heute überstimmten Falken überwiegen immer noch die Sorgen über Zweitrundeneffekte. Angesichts eines Wachstums der wöchentlichen Stundenlöhne von 8,5% gegenüber Vorjahr und einer Inflationsrate deutlich über der US-amerikanischen oder der des Euroraums erscheint dies nicht ganz unberechtigt."
Die Mehrheit des MPC maß dem Lohnwachstum dagegen im Vergleich zu anderen Lohnindikatoren weniger Bedeutung bei. Wie das Statistikamt ONS am Mittwoch mitgeteilt hatte, ging die Teuerungsrate im August auf 6,7% zurück. Im Juli hatte sie noch bei 6,8% gelegen. Volkswirte hatten für den August im Schnitt einen Anstieg auf 7,0% angesetzt.
Doch kein Sonderfall
So unterschiedlich wie die Meinungen im MPC waren auch die Einschätzungen der Zinsentscheidung von Bankvolkswirten. "Nach den Inflationsdaten für August sieht das Vereinigte Königreich im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften weniger wie ein Sonderfall in Sachen Inflation aus", sagte der Volkswirt Henry Cook, der für die japanische Bankengruppe MUFG das Geschehen in Großbritannien verfolgt. "Es hatte die Sorge gegeben, dass die zusätzlichen landesspezifischen Probleme auf der Beschaffungsseite durch den Brexit und die Partizipation am Arbeitsmarkt den disinflationären Prozess verlangsamen könnten." Da sei es beruhigend, ein Nachlassen des Inflationsdrucks zu sehen. "Das Narrativ, dass Großbritannien spezifische eigene Inflationsprobleme habe, sollte etwas verblassen."
Längere Stillhaltephase denkbar
Großbritannien hat damit den Zinsgipfel entweder erreicht, oder es befindet sich in unmittelbarer Nähe davon. Die Guidance der Bank of England hat sich zwar nicht wesentlich verändert, unterscheidet sich aber von den Ansagen der EZB und der Federal Reserve zur künftigen Entwicklung. Eine längere Pause wäre demnach durchaus denkbar. "Die Geldpolitik würde hinreichend lange hinreichend restriktiv sein müssen, um die Teuerungsrate mittelfristig nachhaltig in Übereinstimmung mit dem Mandat des Komitees auf das Inflationsziel von 2,0% zurückzuführen", heißt es im Protokoll der Sitzung. "Eine weitere Straffung der Geldpolitik würde erforderlich, wenn es Belege für einen hartnäckigeren Inflationsdruck gäbe." Eine erste Zinssenkung zeichnet sich dagegen noch nicht ab.
In einer Sache war sich das MPC einig: Das "Quantitative Tightening" soll beschleunigt werden. Binnen zwölf Monaten soll das Volumen des seit der Finanzkrise zur Ankurbelung der Konjunktur zusammengekauften Staatsanleihenportfolios um 100 Mrd. Pfund schrumpfen. Bislang hatte der Zielwert für seine Verringerung bei 80 Mrd. Pfund gelegen. Per 20. September hatte die Notenbank noch Staatsanleihen im Volumen von 759 Mrd. Pfund auf Lager. Der Anleihenberg soll durch Verkäufe am Markt und durch Nichtersetzung fällig werdender Schuldentitel abgeschmolzen werden.