Bayern sorgt sich um die Bundesbank

Minister Söder stellt künftiges Abstimmungsprinzip im EZB-Rat in Frage - Bundesbank und EZB kommentieren Äußerungen nicht

Bayern sorgt sich um die Bundesbank

bal Frankfurt – Bayerns Finanzminister Markus Söder befürchtet einen Machtverlust der Bundesbank im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). In der “Süddeutschen Zeitung” stellte Söder das künftige Rotationsmodell im EZB-Rat in Frage. Der neue Abstimmungsmodus soll laut einem Beschluss von Eurolands Regierungen aus dem Jahr 2003 in Kraft treten, sobald der Euroraum 18 Mitgliedsländer umfasst. Derzeit sind es 17, der Beitritt eines weiteren Landes zum Euro steht nicht unmittelbar bevor. Um zu verhindern, dass der EZB-Rat zu groß wird, um zügig Entscheidungen zu treffen, hatten Eurolands Regierungen 2003 beschlossen, ab 19 Mitgliedsländern das Rotationsprinzip einzuführen.Aktuell sind im EZB-Rat neben den 17 Präsidenten der nationalen Zentralbanken die sechs Mitglieder des Direktoriums (inklusive EZB-Präsident Mario Draghi) stimmberechtigt. Sie sollen auch nach dem künftigen Modell stets stimmberechtigt bleiben. Jedes Ratsmitglied hat bei geldpolitischen Entscheidungen eine Stimme. Bei Entscheidungen, die die Finanzen der EZB betreffen (zum Beispiel die Verwendung von Gewinnen) wird nach Kapitalanteilen entschieden. Der Präsident der Bundesbank verfügt dann folglich über ein Stimmgewicht von etwa 27 %.Die nationalen Präsidenten sollen ab 18 Euro-Mitgliedsländern in zwei, ab 22 in drei Gruppen aufgeteilt werden. In der ersten Gruppe stehen die fünf nach Bruttoinlandsprodukt und Bankensektor gewichtet größten Länder, also unter anderem Deutschland. Sie hätten künftig gemeinsam nur noch vier Stimmen. Der Bundesbankvertreter dürfte also bei jeder fünften Sitzung nicht mitstimmen. Allerdings stellt Deutschland bisher auch einen Vertreter im EZB-Direktorium – derzeit ist das Jörg Asmussen – und ist so gesehen stets im EZB-Rat vertreten. Allerdings ist auch der Anspruch auf diesen Posten nicht verbrieft.Die übrigen nationalen Zentralbankpräsidenten würden je nach Landesgewicht in weitere Gruppen eingeteilt und hätten teils deutlich seltener Stimmrecht im EZB-Rat. An den Sitzungen teilnehmen darf weiter jeder Zentralbankpräsident des Euroraums. Söder sagte dazu: “Das Rotationsverfahren in seiner geplanten Form birgt Gefahren für Deutschland – nämlich dass der, der die größten Haftungsrisiken eingehen muss, genau dann, wenn es darauf ankommt, nicht mit am Tisch sitzt.” Theoretisch sei sogar denkbar, dass die Tagesordnung so gestaltet werde, dass Deutschland im entscheidenden Moment nicht mitstimmen dürfe. “Das darf nicht so kommen”, erklärte Söder.Bundesbank und EZB kommentierten Söders Äußerungen am Dienstag nicht. Vorangegangenen Forderungen, die Bundesbank möge auch bei geldpolitischen Entscheidungen ein höheres Stimmengewicht als zum Beispiel Malta haben, hatte Bundesbankpräsident Jens Weidmann aber wiederholt eine Absage erteilt und sich zum Prinzip “ein Ratsmitglied, eine Stimme” bekannt. Für wachsende Sorgen innerhalb der Bundesbank, über die die “Süddeutsche” berichtete, liegen der Börsen-Zeitung keine Anhaltspunkte vor.Allerdings hatte sich der frühere EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark kurz vor seinem Abschied aus der EZB für ein anderes System ausgesprochen. “Das Rotationsprinzip ist kompliziert”, lautete sein damaliger Einwand im Interview der Jahresschlussausgabe 2011 der Börsen-Zeitung. Die Öffentlichkeit werde nur schwer nachvollziehen können, wer wann das Recht habe abzustimmen. Stark damals: “Mir schwebt ein geldpolitischer Ausschuss vor, der aus dem sechsköpfigen EZB-Direktorium und drei weiteren Mitgliedern besteht.” Dieses Gremium sollte laut Stark über die Geldpolitik entscheiden. “Es würde dann ausreichen, wenn sich der EZB-Rat vier Mal pro Jahr trifft.” So könnten für die Zukunft effiziente Entscheidungsstrukturen geschaffen werden.Stark hatte damals aber auch betont, dass für einen solchen Modus eine Änderung der EU-Verträge nötig sei, und dabei zur Vorsicht gemahnt: Jede Vertragsänderung, die die Zentralbank betreffe, schaffe die Gefahr, dass auch andere Regelungen hinterfragt würden. “Deshalb sollten Änderungen, welche die EZB betreffen, auf das absolute Minimum reduziert werden”, so Stark.—– Wertberichtigt Seite 8