BDI rechnet mit langsamer Erholung

Industrielobby fordert weitere Hilfen für Unternehmen - Lage in der Autoindustrie bereitet Sorgen

BDI rechnet mit langsamer Erholung

sp Berlin – Der überraschend hohe Auftragseingang für das verarbeitende Gewerbe zum Ende des zweiten Quartals hat viele Marktbeobachter gestern in Jubelstimmung versetzt. Beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) war davon jedoch wenig zu spüren. Denn die Industrielobby rechnet weiterhin mit einer langsamen Erholung nach dem Lockdown wegen der Corona-Pandemie und fordert deshalb zusätzliche staatliche Hilfen für Unternehmen, um eine Pleitewelle zu verhindern.Den Optimismus von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), der schon in diesem Herbst auf einen Aufschwung hofft, teile er nicht, sagte BDI-Präsident Dieter Kempf im Gespräch mit dpa. “Ich gehe davon aus, dass es deutlich länger dauert.” Ohne mehr und zielgerichtetere Hilfen sei ab Herbst ein deutlicher Anstieg der Insolvenzen zu befürchten, warnte Kempf. Die Liquidität müsse verbessert werden, die Firmen brauchten Eigenkapital. “Das kann zu einem großen Problem werden, wenn nicht gegengesteuert wird. Die Unternehmen sind sehr stark bankenfinanziert.”Die Wachstumsaussichten seien von Branche zu Branche unterschiedlich zu bewerten, sagte Kempf. Generell rechne der BDI aber damit, dass das Wachstum 2021 und möglicherweise auch 2022 noch verhalten ausfallen wird. Einen Aufschwung im Herbst 2020 sehe er “beim besten Willen nicht”, ergänzte der BDI-Chef. Es gebe zwar Anzeichen für eine Erholung. “Die Grundstimmung in der Wirtschaft ist aber nach wie vor nicht gut.” Für dieses Jahr rechnet der BDI mit einem Minus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 6,5 %, einem Exportrückgang von 15 % und einem Importminus von 12 %. Vor allem die Lage der Automobilindustrie und der Zulieferer sei schwierig, sagte Kempf. “Wir müssen uns im Klaren sein, dass die Herausforderungen noch nicht bewältigt sind, auch nicht mit der beschlossenen stärkeren Förderung der Elektromobilität.” Der Bund müsse daher möglicherweise noch einmal nachlegen, sagte Kempf. Der volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Schaden wäre zu hoch, sollte die Branche dauerhaft Schaden nehmen.Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) machte sich für weitere Hilfen für die Autobranche stark. “Ich befürchte, dass wir bis zum Herbst noch viele schlechte Nachrichten aus der Automobilindustrie hören werden – und zwar ganz unabhängig davon, ob es eine zweite große Infektionswelle geben wird”, sagt er der “Wirtschaftswoche”. Die Nachfrage sei auf einem erschreckend niedrigen Niveau.Im Juli zeigte sich der deutsche Automarkt laut Kraftfahrtbundesamt mit einem Rückgang von gut 5% nach dem Einbruch im ersten Halbjahr stark verbessert. Für das Gesamtjahr erwartet der Verband der Deutschen Automobilindustrie einen Rückgang der Pkw-Neuzulassungen in Deutschland um 23%.