Beben an den Aktienmärkten
ck Frankfurt
Mit schweren Kursverlusten haben die Aktienmärkte am Donnerstag den Angriff Russlands auf die Ukraine reagiert. Betroffen war vor allem Osteuropa, wo die Notierungen kollabierten. In Moskau sackte der Index Moex um bis zu 45,5% auf 1682 Punkte und damit auf den tiefsten Stand seit mehr als fünf Jahren ab, so dass der Handel vorübergehend ausgesetzt wurde. Zum Schluss wies der Index eine Einbuße von 33,3% auf 2058 Zähler auf. Die Aktie der von westlichen Sanktionen bedrohten Sberbank verlor 43,4%. In Kiew brach der Index UTX um 25,1% ein, die Indizes der Börsen in Warschau und Budapest verloren 10,7% und 9,8%.
Dax unter 14000
Am schwersten getroffen wurden Aktien von Gesellschaften mit starkem Geschäftsaktivitäten in Russland beziehungsweise Osteuropa. Aus diesem Grund war auch der österreichische Aktienmarkt mit einer Einbuße des ATX von 7,2% überproportional schwach. Die Aktie der stark in Russland engagierten Raiffeisenbank sackte um 23,1% ab, Erste Bank um 12,4%. Der Dax fiel unter 14000 bis auf 13807 Zähler und damit bis auf den tiefsten Stand seit dem März 2021, ehe er mit einem Verlust von 4% bei 14052 Punkten schloss. Der Volatilitätsindex Vstox als Indikator für Investorenangst zog bis auf 42,46 Zähler an und erreichte damit den höchsten Stand seit dem Juni 2020.
Der Bankensektor war mit einer Einbuße im entsprechenden Stoxx-Branchenindex von 8,1% der Tagesverlierer. Für Druck sorgten die deutlich nachlassenden Zinserhöhungserwartungen. Deutsche Bank waren mit einem Minus von 12,5% der schwächste Dax-Titel, Unicredit (–13,5%) und Société Générale (–12,2%) wurden zusätzlich von den Russlandaktivitäten der Institute belastet. Uniper verloren 14%. Neben dem Russland-Geschäft litt die Aktie darunter, dass das Unternehmen Mitfinanzierer von Nord Stream 2 ist. In London kollabierten Aktien russischer Minengesellschaften. Polymetal und Petropavlovsk büßten 37,8% und 27% ein. Die Aktien der europäische Öl- und Gasförderer hielten sich gestützt von den steigenden Energiepreisen stabil. Ihr Stoxx-Index lag zuletzt mit 0,3% im Minus. Außereuropäische Ölwerte tendierten teilweise fest. So stiegen Saudi Aramco auf ein Rekordhoch von 42,25 und lagen zuletzt mit Plus von 2% bei 41,35 Rial. In New York lagen Exxon Mobil und Chevron am Abend mit 1,7% und 0,8% im Minus. Rüstungsaktien wurden von der Aussicht auf steigende Militärausgaben getrieben. Rheinmetal gewannen 3,4%, BAE Systems 5,2%.
Anhaltende Volatilität
Marktexperten waren zuvor in ihren Basisszenarien davon ausgegangen, dass es im Ukraine-Konflikt nicht zum Äußersten kommen werde. Nun erwarten sie angesichts der neuen Lage anhaltende Unruhe an den Märkten. „Wir gehen davon aus, dass die Märkte noch einige Tage lang sehr volatil bleiben werden, bis Klarheit über den Umfang der westlichen Sanktionen und ein besseres Verständnis darüber herrscht, ob Putin an den ukrainischen Grenzen zu anderen postsowjetischen Staaten Halt machen wird“, so die DWS. Die Zentralbanken würden ihre Politik neu überdenken und flexibel bleiben. Die Risiken einer Rezession in Europa hätten zugenommen. Die größten Risiken gehen dem Assetmanager von der Abhängigkeit Europas von russischem Gas aus. „Ein erheblicher Gaspreisschock oder sogar eine Kürzung der Gaslieferungen könnte leicht zu einer Rezession in Europa führen, ganz zu schweigen von einer höheren Inflation.“
Nach einer ersten Schockstarre warteten die Märkte auf mehr Klarheit über das Ausmaß der westlichen Sanktionen sowie über mögliche Gegenmaßnahmen Russlands, so die DWS weiter. „Die Marktdynamik nach unten könnte sich verstärken, wenn bestimmte Risikolimits bei institutionellen Anlegern ausgelöst werden oder wenn Kleinanleger in Panik geraten. Gleichzeitig lehrt uns die historische Erfahrung, dass solche Tage kein guter Zeitpunkt für Verkäufe sind.“ Bei Aktien stehe Europa im Zentrum des Sturms. „Sichere Häfen (US-Aktien, Japan, Schweizer Markt, Gesundheitswesen, Basiskonsumgüter) und ölabhängige Werte (Großbritannien, Energiesektor) dürften sich besser entwickeln, während zyklische Sektoren und Europa ohne Großbritannien mit einem schwierigeren Umfeld rechnen müssen. Die Finanzwerte der Eurozone könnten durch die verzögerten EZB-Erhöhungen und die Entflechtung der Beziehungen zum russischen Finanzsystem beeinträchtigt werden.“ Die Anleger würden ihre Risikoprämie für einzelne Aktien anpassen, je nachdem, ob sie direkt oder indirekt in Russland und der Ukraine engagiert seien.
„Die globalen Märkte haben nicht mit einem Kriegsszenario gerechnet und passen sich nun angesichts der Tragweite dieses militärischen Vorgehens an“, so der französische Assetmanager Amundi. Es werde einige Zeit dauern, bis sich die Situation beruhigt habe. In der Zwischenzeit würden Unsicherheit und Volatilität fortbestehen, und es bestehe die Möglichkeit, dass es zu einigen Übertreibungen nach unten kommt. „Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um auf fallende Kurse zu setzen, da der Markt die Auswirkungen dieses geopolitischen Schocks noch nicht vollständig erfassen kann.“ Der Assetmanager rät dazu, „Absicherungen beizubehalten und vorsichtig zu bleiben, aber nicht übermäßig auf Exzesse zu reagieren, die wir in den kommenden Tagen wahrscheinlich noch sehen werden.“ Ein gewisses Maß an Duration, Gold und Safe-Haven-Währungen könnten einen Puffer zu Risikoanlagen bilden. Aktien, die über reichlich Liquidität verfügten, würden das erste Ziel der Risikominderung für die Märkte sein, Unternehmensanleihen würden wahrscheinlich folgen. Insgesamt werde es darauf ankommen, Liquidität zu halten.