GASTBEITRAG

Bei der Euro-Reform werden die Weichen falsch gestellt

Börsen-Zeitung, 28.11.2018 Im kommenden Monat soll auf einem Euro-Gipfel über die Umwandlung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) entschieden werden. Ein weitreichender Vorschlag der EU-Kommission...

Bei der Euro-Reform werden die Weichen falsch gestellt

Im kommenden Monat soll auf einem Euro-Gipfel über die Umwandlung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in einen Europäischen Währungsfonds (EWF) entschieden werden. Ein weitreichender Vorschlag der EU-Kommission liegt dazu seit Ende 2017 auf dem Verhandlungstisch. Die meisten Punkte des Vorschlags dürften – vorerst – nicht verwirklicht werden. So zum Beispiel eine Verankerung des EWF im Unionsrecht, was den nationalen Parlamenten und den letztlich haftenden Steuerzahlern die Kontrolle über den Umfang und die Bedingungen für Hilfszahlungen an Krisenländer deutlich erschweren würde. Allerdings zeichnet sich eine Einigung darüber ab, dass ein künftiger EWF zusätzliche und vorbeugende Finanzhilfen für Länder der Eurozone gewähren soll, die Verluste wahrscheinlicher und die Gefahr einer Ausweitung der Haftung Deutschlands über die im ESM-Vertrag vereinbarten 190 Mrd. Euro hinaus bedeuten können, worauf der Bundesrechnungshof in einem im Oktober 2018 erschienenen Bericht hinwies.Die Regierungen Frankreichs und Deutschlands stehen unter Zugzwang, die europäische Einigung voranzubringen, da der französische Präsident Emanuel Macron und die deutsche Bundeskanzlerin innenpolitisch unter Druck stehen und an Einfluss verlieren. Reformen bei der Ausgestaltung der künftigen Rettungsarchitektur für mögliche Staatsschuldenkrisen in der Eurozone sollten jedoch nicht unter Zeitdruck vereinbart werden, sondern ökonomisch und politisch sinnvoll sein, damit sie langfristig tragbar und glaubwürdig sind. IWF bleibt wegViele Probleme sind ungelöst. Nach den Plänen der Kommission ist eine Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) an künftigen Finanzhilfen für Krisenstaaten und bei der Ausarbeitung und Überwachung von wirtschaftlichen Anpassungsprogrammen nicht vorgesehen. Der IWF hat ebenfalls signalisiert, dass er sich an künftigen Rettungsaktionen in der Eurozone nicht beteiligen wird. Vor allem durch die Griechenland-Programme hat der IWF die Grenzen seiner Leitlinien für Finanzhilfen überschritten und er konnte sich gegenüber den europäischen Mitgliedern der Athen überwachenden Troika mit seinen Forderungen nach einem Schuldenerlass zur Erzielung einer tragfähigen Staatsverschuldung nicht durchsetzen.Mit dem Fehlen des IWF werden künftige Rettungsprogramme für die Finanzmärkte jedoch deutlich weniger glaubwürdig. Der IWF mit einem großen Stab von Experten, seiner über 70-jährigen Erfahrung sowie der größeren Neutralität und Distanz zur Politik in Brüssel ist nur schwer ersetzbar. Zudem wird sich die Europäische Zentralbank (EZB) bei künftigen Rettungsprogrammen nicht mehr an der Ausarbeitung von Programmdetails beteiligen, so zum Beispiel zu Reformen des Rentensystems oder der Arbeitsmärkte in Krisenländern, da dies die Grenzen ihres Mandats überschreitet. Die EZB-Vertreter galten innerhalb der Troika auch als harte Verhandlungspartner.Der EWF, der auf dem bestehenden ESM aufbauen soll, müsste dann nach den derzeitigen Plänen zusammen mit der EU-Kommission die Troika ersetzen und künftige wirtschaftliche Anpassungsprogramme für Krisenländer ausarbeiten und durchsetzen. Konflikte sind dadurch programmiert, die die Glaubwürdigkeit der Rettungsprogramme erschüttern können.Die EU-Kommission möchte unter den beiden Institutionen die Seniorrolle einnehmen. Allerdings hat die EU-Kommission in den vergangenen 20 Jahren bei der Überwachung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts versagt und trägt damit eine Mitschuld an der Entstehung der Staatsschuldkrisen. Sie unterlag immer starkem politischen Einfluss, der unter der Ägide des Kommissionspräsidenten Juncker (Stichwort: “Politische Kommission”) noch ausgeweitet wurde (Stichwort: “Weil es Frankreich ist”).Mit der harten Haltung in der Frage der italienischen Staatsschuld versucht die Kommission jetzt offenbar im Endspurt Glaubwürdigkeit aufzubauen. Es zeigen sich jedoch auch sehr deutlich die Grenzen des Einflusses von Brüssel auf die nationale Wirtschaftspolitik. Überwachung und Vorgaben aus Brüssel werden als Diktat und Einmischung begriffen und mehren eine anti-europäische Stimmung. Neutrale InstitutionÖkonomisch sinnvoller wäre es, wenn ein künftiger EWF eine politisch neutrale Institution wäre und allein über die Bedingungen für Finanzhilfen entscheiden könnte. Ein solcher EWF müsste die vereinbarten Fiskalregeln in normalen Zeiten überwachen und Verfehlungen objektiv und unabhängig von der Politik feststellen. Länder, die mehrfach gegen vereinbarte Regeln verstoßen, würden dann im Krisenfall Hilfen nur teurer und gegen schärfere Auflagen bekommen. Dadurch könnte das Moral-Hazard-Problem durch die im Schaufenster stehenden Finanztöpfe abgeschwächt werden.Über Finanzhilfen für Krisenländer müssen die Geberländer über den Gouverneursrat des EWF nach vorab definierten Kriterien entscheiden können und im Extremfall – bei nicht tragfähigen Staatsschulden und Reformunwilligkeit – muss auch eine Staatsinsolvenz und ein Austritt aus der Eurozone möglich sein. Ein zweiter Griechenland-Fall, der letztlich alle Geldgeber zu Verlierern machte und das Land in eine fast zehnjährige Krise stürzte, wäre damit ausgeschlossen.Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass die Euro-Länder sich auf einen politisch unabhängigen EWF einigen können. Daher ist zu befürchten, dass die EZB bei einer neuerlichen Krise die Rolle des “Ausputzers” übernehmen und die Finanzmärkte beruhigen muss. Dann wird wohl das OMT-Programm aktiviert werden, das alle rechtlichen Hürden überwunden hat. Ein Hilfsprogramm des EWF in begrenztem Umfang, eine Überwachung durch EWF und Kommission und umfangreiche Staatsanleihekäufe der EZB im Rahmen von OMT, so könnte es gehen. Aber nicht unbedingt zum Wohl der langfristigen Stabilität der Eurozone und des Steuerzahlers.—-Prof. Dr. Thomas Jost, Hochschule Aschaffenburg, Aktionskreis Stabiles Geld