Beim digitalen Euro sind noch viele Fragen offen
Beim digitalen Euro sind noch viele Fragen offen
Gastbeitrag
Die Ampel für den digitalen Euro ist weiterhin auf Grün geschaltet: Nach Ende der Prüfphase hat die Europäische Zentralbank (EZB) erwartungsgemäß entschieden, ab November mit der Vorbereitungsphase zu beginnen. Dieser Schritt ist konsequent und richtig, denn an der grundsätzlichen Bereitschaft, ein digitales Zentralbankgeld in der Eurozone einzuführen, gibt es nichts zu beanstanden. Der EZB müsste zu Recht nachgesagt werden, eine wegweisende technologische Entwicklung zu verschlafen, wenn sie nicht – wie über 100 andere Notenbanken weltweit auch – die Einführung einer digitalen Währung prüfen würde.
Vorbereitungsphase bedeutet allerdings nicht, dass wir nur noch wenige technische Umsetzungsschritte von der Einführung des digitalen Euro entfernt sind. Im Gegenteil: Auf dem Weg dahin gilt es noch, eine Vielzahl von Fragen zu beantworten und Widersprüche aufzulösen. Und nur wenn das überzeugend gelingt, sollte der digitale Euro auch tatsächlich eingeführt werden.
Risiken gründlich untersuchen
Welche grundlegende Fragen sind es, die noch dringend einer plausiblen und nachhaltigen Antwort bedürfen? Aus Sicht der Banken besonders wichtig: Die Einführung eines neuen Geldes muss intensiv auf mögliche Risiken für ein intaktes Finanzsystem untersucht werden – mit klar definierten Rollen für Kreditinstitute und Zentralbank. Bislang ist nicht bekannt, dass diese Risiken ausreichend erforscht worden wären oder dass die europäischen Institutionen eine entsprechende Untersuchung beauftragt hätten. Eine wissenschaftliche Analyse über die komplexen Auswirkungen eines digitalen Euro für die Finanzmarktstabilität ist für die weitere Diskussion jedoch zwingend erforderlich.
Mögliche Risiken liegen auf der Hand, denn der digitale Euro dürfte im Wesentlichen aus den Einlagen der Bürgerinnen und Bürger bei den Kreditinstituten gespeist werden. Wenn diese Einlagen abgezogen und in digitale Euro auf einem Konto bei der EZB umgewandelt werden, verringert sich aber automatisch die Liquidität der Institute – mit negativen Folgen für die Möglichkeit der Banken, Kredite zu vergeben. Doch nicht nur das: Im ungünstigsten Fall könnte der digitale Euro eine Art digitalen Bank Run auslösen. Nämlich dann, wenn alle Kunden im Fall einer Krise ihr Geld plötzlich abziehen wollen und es in digitales Zentralbankgeld umschichten könnten.
Digitalen Bank Run verhindern
Die Frage, wie ein solches Szenario verhindert werden kann, ist eng verknüpft mit der Frage nach dem maximalen Betrag, den jeder Bürger und jede Bürgerin in digitalen Euro halten darf. Auf die Beantwortung dieser Frage müssen Gesetzgeber und die Zentralbank größtes Augenmerk legen. Die gegenwärtig diskutierte Lösung würde auf einen vierstelligen Betrag hinauslaufen und diesen Betrag obendrein gesetzlich nicht fixieren.
Dies sehen wir als höchst problematisch an. Ein rechtssicheres, niedriges dreistelliges Haltelimit sowie ein Verzinsungsverbot, um den übermäßigen Abfluss von Einlagen zu verhindern, könnte dagegen verhindern, dass aus dem digitalen Euro ein stabilitätspolitisches Risiko wird.
Davon abgesehen wirft die Einführung des digitalen Euro grundsätzliche Fragen nach der künftigen Rolle der Europäischen Zentralbank auf, aber auch nach den Kosten, die mit seiner Einführung einhergehen. Aus Sicht der privaten Banken ist klar: Es kann nicht Aufgabe der EZB sein, ein staatliches Bezahlverfahren zu betreiben.
Dies würde den Wettbewerb verzerren, die Erträge des europäischen Bankensektors schwächen und privatwirtschaftliche Innovationen hemmen. Wir benötigen deshalb eine saubere Rollenverteilung zwischen EZB und Kreditwirtschaft. Konkret bedeutet das: Die obligatorischen Vertriebswege für den digitalen Euro sollten auf privatwirtschaftlichen Zahlungslösungen der Kreditinstitute basieren. Die EZB wiederum würde sich darauf beschränken, das Zahlungsmittel herauszugeben und die grundlegenden technischen Standards zu definieren.
Kein staatliches Bezahlverfahren
Ein potenzieller Nutzen allein für Zentralbanken reicht deshalb nicht aus, um die beträchtlichen Investitionen zu rechtfertigen. Diese werden allerdings notwendig sein, um die Infrastruktur rund um den digitalen Euro zu errichten – eine Infrastruktur, die zumindest in Teilen auch vom Handel und von der Kreditwirtschaft gestemmt werden müsste. Wie hoch die dafür fällige Summe genau ausfallen und wie sie finanziert werden könnte, ist für die Banken von ganz wesentlicher Bedeutung.
Vertrauen ist wichtig
Ja, es gibt gute Gründe, die für einen digitalen Euro sprechen und die wesentlich mit Fragen der europäischen Souveränität zu tun haben. Es wird nun aber darauf ankommen, die vielen noch offenen Fragen zu klären und vor allem die Bürgerinnen und Bürger vom Nutzen dieses Projekts zu überzeugen. Denn ein digitaler Euro, der wenig Akzeptanz bei der Bevölkerung findet, wäre ein geldpolitisches Eigentor, das dem europäischen Finanzmarkt Schaden zufügen würde und das Vertrauen in die europäischen Institutionen gefährden könnte.
Wie wichtig dieses Vertrauen in die europäischen Institutionen und vor allem in den Euro selbst ist, kann nicht oft genug betont werden. Darum war es auch gut und notwendig, dass sich EZB und EU-Kommission noch einmal uneingeschränkt zur Bedeutung des Bargeldes bekannt haben und damit anderslautenden Gerüchten den Boden entzogen haben. Der digitale Euro ist als zusätzliches Angebot geplant und nicht als Ersatz für das Bargeld – auch zukünftig werden die Menschen mit Scheinen und Münzen bezahlen können.