Bella Italias Reichtum wird sträflich verkannt

Von Thesy Kness-Bastaroli, Mailand Börsen-Zeitung, 6.2.2014 Italien wird von den US-Ratingagenturen völlig verkannt. Dies hat der Rechnungshof in Rom nun offiziell festgestellt und die Bonitätsbewerter schlicht zu Kulturbanausen gestempelt. Denn...

Bella Italias Reichtum wird sträflich verkannt

Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandItalien wird von den US-Ratingagenturen völlig verkannt. Dies hat der Rechnungshof in Rom nun offiziell festgestellt und die Bonitätsbewerter schlicht zu Kulturbanausen gestempelt. Denn sie hätten bei ihren Bewertungen nicht das kulturelle, künstlerische und historische Erbe des Stiefellandes berücksichtigt. Dieses sei aber die Basis für die wirtschaftliche Kraft des Landes. Hätten die Analysten Dante Alighieri gelesen oder sich die Sixtinische Kapelle im Vatikan angesehen, hätten sie die (inzwischen völlig heruntergekommenen) Ausgrabungen von Pompeji und die Kunstschätze der Museen in Florenz beachtet, ja wären sie einmal in das Mailänder Opernhaus La Scala gegangen, dann wäre ihre Bewertung besser ausgefallen. Kurzum, der italienische Rechnungshof soll laut Medien nicht nur Standard & Poor’s, sondern auch Moody’s und Fitch wegen dieser groben Fahrlässigkeit zu einer Entschädigung von insgesamt 234 Mrd. Euro verdonnern wollen.Die Agenturen haben inzwischen unterschiedlich reagiert. Während S & P etwaige Urteile des Rechnungshofs nicht anerkennen will, zeigt sich Fitch zu einer Kooperation bereit. Basis der vom Rechnungshof bestätigten, “aber noch nicht abgeschlossenen” Untersuchungen sei die 2011 erfolgte Herabstufung Italiens, die damals zu einem Regierungswechsel geführt hatte. Die sogenannte Technokraten-Regierung des Nationalökonomen Mario Monti löste schließlich die in Ungnade gefallene Regierung von Silvio Berlusconi ab. Die italienischen Staatsanleihen erreichten damals nach der Senkung der Bonitätsnote auf “Baa2” zwar noch knapp Investment Grade, näherten sich aber dem “Ramsch”-Niveau. Der Ausblick der Ratingagenturen war damals negativ. An dieser Bewertung hat sich seither nichts geändert. Schon mehrfach im VisierEs ist nicht das erste Mal, dass Italiens Behörden gegen die US-Ratingagenturen vorgehen. Das Landesgericht von Trani in Süditalien, besser gesagt Staatsanwalt Michele Ruggiero, hat sich dabei einen Namen gemacht, als er im vergangenen Jahr Ermittlungen gegen neun italienische Manager der beiden Ratingagenturen S & P und Fitch einleitete. Er bezichtigte sie, das Timing ihres Downgrading falsch gewählt und die Notiz bei noch offenen Finanzmärkten publiziert zu haben. Dies habe zu Kursstürzen geführt. Die Manager wurden der Kursmanipulation angeklagt.Die Ratingagenturen sind den italienischen Politikern und Institutionen ein Dorn im Auge. Es wird derzeit kein Versuch unterlassen, die Abhängigkeit von diesen Agenturen zu verringern. So vergeht kaum eine wirtschaftspolitische Talkshow im Fernsehen, wo das Bewertungssystem der großen US-Agenturen nicht wegen seiner “Einseitigkeit” angeprangert wird. Renommierte Institutionen, u.a. auch die Banca d’Italia oder die Börsenaufsicht Consob, dringen darauf, sich bei der Einstufung nicht nur auf die US-Agenturen zu verlassen. Versicherungen und Fondsgesellschaften sollen ihre eigene Bewertung vornehmen. Sogar eine chinesische Ratingagentur hat nun in Mailand ihren europäischen Sitz etabliert. Sie verzichtet zwar darauf, Länderrisiken einzustufen, sondern beschränkt sich darauf, Unternehmen zu bewerten. Es ist aber kaum anzunehmen, dass die Chinesen dabei auch den Kulturschatz von “Bella Italia” berücksichtigen.——–Italiens Rechnungshof fordert von den US-Ratingagenturen Schadenersatz wegen Missachtung des kulturellen Erbes.——-