Berlin beamt sich digital in die Zukunft
Von Ulli Gericke, BerlinSchneller sein als die Zukunft, lautet das digitale Motto in Berlin. Im Koalitionsvertrag hat die schwarz-rote Regierung die Digitalisierung gleich mehrfach aufgegriffen. Mit der im Sommer beschlossenen Digitalen Agenda wurde der Anspruch wiederholt, den heute noch vorhandenen Rückstand beim digitalen Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft zumindest aufzuholen, “um Deutschlands Rolle als innovative und leistungsstarke Volkswirtschaft in der Europäischen Union und der Welt auszubauen”. Ein Ziel, das auf dem IT-Gipfel Mitte Oktober von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einhellig bekräftigt wurde.Und nun das, wie eine kalte Dusche: Deutschland liege beim Glasfaserausbau an letzter Stelle in Europa, urteilten dieser Tage die Gutachter des Monitoring-Reports Digitale Wirtschaft 2014. Unternehmen könnten sich “eine Ansiedlung in einem Land, das keine flächendeckende, hochleistungsfähige Breitbandanbindung bietet, nicht mehr leisten.”Kein Wunder, dass der Junge Wirtschaftsrat die Koalition auffordert, mehr Investitionen bereitzustellen. “Die Bundesregierung hat die Digitale Agenda aufgesetzt, aber bisher nicht ausreichend finanziert”, kritisiert Alexander Bode, Chef der Organisation. Die Agenda sei auf eine leistungsfähige Infrastruktur angewiesen. Hier sei Deutschland aber im internationalen Vergleich deutlich zurückgefallen – die Zukunft lahmt.Aber nur noch bis zum nächsten Frühjahr, wie vor drei Wochen Kanzlerin Merkel und die 16 Länder-Ministerpräsidenten vereinbarten. Im ersten Halbjahr des neuen Jahres sollen nämlich die so genannten 700er-Frequenzen – also der Bereich um 700 Megahertz (Mhz), der bislang zum kostenfreien Empfang von digitalem Fernsehen genutzt wird – an Telekommunikationsunternehmen versteigert werden. Mit diesen weit tragenden Funkwellen, mit denen große Gebiete mit wenigen Masten abgedeckt werden können, soll nach Regierungsplänen das flache Land mit dem schnellem Internet versorgt werden. Finanziert werden soll das Ganze – zumindest zu einem großen Teil – aus den Auktionserlösen, die vollständig für den Ausbau der digitalen Infrastruktur verwendet werden und die sich Bund und Länder teilen wollen. Ob die Versteigerungserlöse aber ausreichen, auch nur den größten Teil des bis zu 80 Mrd. Euro teuren Glasfaserausbaus zu finanzieren, darf bezweifelt werden – auch wenn in den hoch verdichteten Städten mit viel Nachfrage die Investitionen von privaten Unternehmen gestemmt werden können. Kampf um FrequenzenOffen ist bislang jedoch, wann die 700er-Frequenzen tatsächlich auch zur Verfügung stehen. Die Fernsehanstalten ARD und ZDF sehen jedenfalls aus ihrer Sicht keine Möglichkeit, die Frequenzen vor Mitte 2019 zu räumen – ungeachtet der politischen Zielvorgabe im Koalitionsvertrag, bis 2018 eine flächendeckende Grundversorgung mit mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) anbieten zu können. Die Zukunft muss warten.Damit das nicht passiert, sind die Länder gefordert, die über die Rundfunkanstalten wachen. Für “sehr optimistisch” hält denn auch Bernhard Rohleder, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom), den Zeitplan von Bund und Ländern.Verspätet sich jedoch die Breitband-Zukunft, hat das böse Auswirkungen. Denn intelligente Netze werden nicht nur in der künftigen Stromversorgung mit ihren Tausenden volatil einspeisenden Wind- und Solaranlagen sowie individuell (ab)regelbaren Verbrauchern benötigt, sondern auch in Verkehr, Medizin, Bildung und Industrie, wo die vernetzte Maschine-zu-Maschine-Kommunikation der “Industrie 4.0” völlig neue Ansprüche stellt. Dabei bestehen die sogenannten Smart Grids nicht nur aus superleistungsfähigen Kabeln sowie herkömmlichen Masten, sondern vor allem aus Software und pfiffigen Lösungen, für beispielsweise das adaptive Fernlernen oder das flexible Aufladen von Elektroautos. Gekapseltes SicherheitsnetzNoch völlig ungeklärt ist die Frage, ob zum Schutz sensibler Daten ein eigenes, besonders geschütztes Netz aufgebaut werden muss – so wie es schon heute in Fabriken extraabgekapselte Produktionshallen gibt. Dieses Sicherheitsnetz kann durchaus umfangreich ausfallen, muss es doch in der Lage sein, die innerbetriebliche Vernetzung zwischen den selbstregelnden Maschinen der Industrie 4.0 genauso angriffssicher auszugestalten wie den Zugriff von Befugten etwa aus deren Home Office. Denn auch die Zukunft des flexiblen Arbeitens lässt sich nicht aufhalten.