Berlin lockert Grenzkontrollen
Die Bundesregierung beginnt am Freitag, die Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern zu lockern. Mitte Juni sollen sie ganz wegfallen. Auch die EU-Kommission plädierte für eine koordinierte, schrittweise Öffnung der Grenzen und präsentierte ein ganzes Paket an Empfehlungen, auch für die Tourismusbranche.sp/ahe Berlin/Brüssel – Der Weg zurück zur Reisefreiheit innerhalb des Schengenraums gewinnt an Konturen. Die Bundesregierung hat sich mit den Nachbarstaaten Frankreich, Österreich und Schweiz darauf verständigt, die wegen der Corona-Pandemie am 15. März eingeführten Grenzkontrollen zum 15. Juni zu beenden, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Berlin. Die EU-Kommission legte zeitgleich in Brüssel Empfehlungen vor, wie die Grenzen in Europa schrittweise geöffnet werden können. Wichtig sei ein gemeinsamer Ansatz der EU-Staaten.Diese Einschätzung teilt offenbar auch die deutsche Industrie. “Ein noch so guter und überlegter Plan allein für Deutschland und seine Anrainerstaaten reicht noch nicht aus, um europäische und internationale Lieferketten sicher wiederherzustellen”, erklärte Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Entscheidend sei, die Maßnahmen europäisch koordiniert umzusetzen, mahnte der BDI. Andernfalls verringere sich die Chance für eine kraftvolle Erholung der europäischen Volkswirtschaften. “Auf das Chaos bei den Grenzschließungen darf kein Chaos bei der Öffnung folgen”, betonte Lösch. EU-Reisen ohne QuarantäneSeehofers Plan sieht vor, die Kontrollen an den Grenzen zu allen Nachbarländern schon ab dem 15. Mai zu lockern. Die Kontrollen an der Grenze zu Luxemburg werden am Freitag ganz aufgehoben. Über eine Aufhebung noch vor dem 15. Juni an der Grenze zu Dänemark werde noch beraten, sagte der Innenminister. Mit Polen und Tschechien würden Gespräche über eine Lockerung der von ihnen verhängten Kontrollen und über eine Aufhebung der Quarantäne-Regelungen bei der Einreise in diese Länder geführt. An den Grenzen zu den Niederlanden und Belgien gab es schon bisher lediglich stichprobenartige Kontrollen im Hinterland. Den Bundesländern empfiehlt die Regierung nun, die bestehenden Quarantäne-Vorschriften für EU-Binnenreisen aufzuheben.Voraussetzung für alle Lockerungen sei ein gebremstes Infektionsgeschehen, stellte Seehofer klar. “Wir haben eine günstige Entwicklung, deshalb können wir Stück für Stück lockern. Wenn sich wider Erwarten in den nächsten Monaten etwas anderes ergibt, muss man wieder neu überlegen, was wir für den Schutz der Bevölkerung brauchen.”Die EU-Kommission äußerte sich ähnlich. Die Sicherheit stehe über allem, betonte Vizepräsidentin Margrethe Vestager in Brüssel. Die Kommission plädierte für eine europaweit koordinierte, schrittweise Öffnung der Grenzen und präsentierte ein ganzes Paket an – nicht bindenden – Empfehlungen, auch für die Tourismusbranche.Demnach sollen etwa Airlines und Reiseveranstalter mit Mundschutzpflicht, häufigerem Reinigen und Desinfizieren sowie einer Organisation, die das Einhalten von Abstandsregeln ermögliche, bald wieder arbeiten können. Auf eine Pflicht für Airlines, Sitze zwischen den Passagieren freizulassen, verzichtete die Behörde. Auch sollen für Hotels und Ferienparks strenge Hygiene- und Sicherheitsanforderungen gelten, etwa eine Begrenzung der Gästezahl. Umstrittene GutscheinpflichtVestager verwies darauf, dass die Tourismusbranche für fast 10 % des Bruttoinlandprodukts in der EU und Millionen Arbeitsplätze stehe. Dennoch will Brüssel die Rechte von Verbrauchern bezüglich einer Kostenerstattung bei Stornierungen nicht beschneiden. Gutscheinlösungen sollten lediglich attraktiver werden, so Vestager. Der Deutsche Reiseverband (DRV) und die Airline-Verbände IATA und A4E reagierten enttäuscht. Der DRV sprach von einem weltfremden Vorschlag.