NACH DEM GRIECHEN-REFERENDUM

Berlin sieht Tsipras am Zug

"Griechenland muss Angebot vorlegen" - "Schuldenschnitt kein Thema"

Berlin sieht Tsipras am Zug

wf Berlin – Die Bundesregierung sieht nach dem Nein der Griechen zum Reformprogramm ihrer europäischen Geldgeber keine Basis mehr für neue Gespräche über finanzielle Unterstützung. “Die Voraussetzungen liegen nicht vor, um in Verhandlungen über ein neues Hilfspaket zu treten”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert vor der Presse in Berlin. Dennoch zeigte sich Berlin weiter verhandlungsbereit. “Die Tür für Gespräche bleibt offen”, unterstrich Seibert. Die Regierung wartet auf Vorschläge aus Athen. “Es wird jetzt darauf ankommen, was die griechische Regierung auf den Tisch legt.” Gefahr der StaatspleiteBundeskanzlerin Angela Merkel reiste am Abend nach Paris, um mit Frankreichs Staatspräsident François Hollande das weitere Vorgehen abzustimmen. Deutschland und Frankreich werden eng zusammenarbeiten, versprach Seibert. Aus Paris ist indessen zu hören, dass dort die Bereitschaft größer ist als in Berlin, der Athener Regierung entgegenzukommen, um eine Staatspleite abzuwenden und Griechenland im Euro zu behalten. Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel schätzt die Chancen dafür mittlerweile gering ein. “Die endgültige Zahlungsunfähigkeit scheint unmittelbar bevorzustehen”, sagte Gabriel nach der SPD-Vorstandssitzung in Berlin. “Der Ausgang des Referendums ist eine Absage an die Regeln der Wirtschafts- und Währungsunion”, stellte er fest. Nun sei ein Neuanfang notwendig. Ob Griechenland aus der Eurozone ausscheide, liege an Athen. Die Regierung müsse schnell ein substanzielles Angebot machen, verlangte der SPD-Vorsitzende.Aus Sicht des Bundesfinanzministeriums ist der Rahmen für das Angebot aus Athen abgesteckt. “Der Schuldenschnitt ist für uns kein Thema”, sagte der Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Martin Jäger. Dazu zähle auch eine Umstrukturierung und eine Streckung von Zins- und Tilgungszahlungen. Für die Bundesregierung ist auch unabdingbar, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) mit an Bord bleibt, machte Jäger deutlich. Im Text des ESM-Vertrags ist dies als wünschenswerte Möglichkeit niedergelegt. Zugleich ist in der Präambel des Vertrags herausgestellt, dass eine “aktive Beteiligung des IWF, sowohl auf fachlicher als auch auf finanzieller Ebene”, angestrebt wird. Zudem wird von einem hilfesuchenden Land erwartet, dass es, “wann immer dies möglich ist, ein ähnliches Ersuchen an den IWF richtet”. Auch die Regierungsfraktionen im Bundestag legen Wert auf die Beteiligung des IWF.Der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckhardt Rehberg, erwartet langwierige Verhandlungen mit Athen. “Eine schnelle Lösung ist für mich undenkbar”, erklärte er in Berlin. “Der Ball liegt in Athen.” Die griechische Regierung müsse umgehend mit der konkreten Umsetzung der Reformen beginnen, die sie selbst den Geldgebern vorgeschlagen hat. “Ankündigungen werden nicht reichen”, warnte Rehberg. Investoren fehlt VertrauenAus der deutschen Wirtschaft gibt es ernüchterte Stimmen. Der Hauptgeschäftsführer des Maschinen- und Anlagenbauverbands VDMA, Thilo Brodtmann, warnte vor einseitigen Zugeständnissen an Griechenland. “Das griechische Volk hat sich gegen die Erfüllung bestehender Verträge entschieden”, stellte Brodtmann fest. Regierungschef Alexis Tsipras möge das Vertrauen das griechischen Volkes haben, das Vertrauen der europäischen Investoren habe er nicht. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Utz Tillmann, zeigte sich um die EU besorgt. “Das Bild der EU in der restlichen Welt als stabile Gemeinschaft hat Risse bekommen”, konstatierte er.