Berlin und Wirtschaft kritisieren Sanktionen

Nicht für US-Wirtschaftsinteressen missbrauchen

Berlin und Wirtschaft kritisieren Sanktionen

ge Berlin – Kritik an der mit überwältigender Mehrheit vom US-Repräsentantenhaus beschlossenen Verschärfung der Russland-Sanktionen kam nicht nur aus Brüssel. Auch die hiesige Wirtschaft und die Bundesregierung warnten, dass Ziel der US-Sanktionen nicht nur Russland, sondern auch die EU-Wirtschaft sei. “Wir lehnen Sanktionen mit extraterritorialer Wirkung, also in Drittstaaten, aus grundsätzlichen Erwägungen ab”, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer gestern. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, verwies auf frühere Äußerungen von Außenminister Sigmar Gabriel, nach denen die Sanktionen “kein Instrument der Industriepolitik zugunsten Amerikas sein dürften”. Europa habe Interesse, gemeinsam mit den USA etwa wegen der Ukraine-Krise und der Annexion der Krim Maßnahmen gegen Russland zu ergreifen.Am Vortag (Ortszeit) hatte das US-Repräsentantenhaus mit großer Mehrheit einen Gesetzentwurf zu neuen Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise verabschiedet. Strafmaßnahmen gegen Moskau hält Brüssel grundsätzlich für richtig, betonte die EU-Kommission. Doch müssten sie von allen großen Industriestaaten gleichzeitig durchgesetzt werden – und nicht einseitig von den USA zulasten Europas, das an der Erschließung vielfältiger Energiequellen gehindert werde. DIHK befürchtet StillstandAuch Wirtschaftsverbände zeigten sich alarmiert. Volker Treier, der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), fürchtet, dass wichtige Projekte zur Sicherung der Energieversorgung zum Stillstand kommen könnten, wenn es deutschen Unternehmen zum Beispiel nicht mehr erlaubt wäre, gemeinsam mit Russland an Gaspipeline-Projekten zu arbeiten. Davon wäre auch die hiesige Wirtschaft empfindlich getroffen. Weit vorangekommenDer Chef des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Wolfgang Büchele, warnte, die gewachsene deutsche Energiekooperation mit Russland könnte in Gefahr geraten. Bedroht sei nicht nur der Bau neuer Pipelines wie Nord Stream 2 durch die Ostsee. Auch die Instandhaltung bestehender Pipelines wäre gefährdet. Auswirkungen der US-Sanktionen auf europäische Firmen müssten ausgeschlossen werden, forderte Büchele – “gibt es dafür keine Garantien, sind entsprechende Gegenmaßnahmen der EU erforderlich”. Klaus Schäfer, Chef des an der geplanten Ostseepipeline beteiligten Energiekonzerns Uniper, warnte, die US-Sanktionen dürften Nord Stream 2 nicht beeinträchtigen. Das Vorhaben sei wichtig für Europas Gasversorgung. Sein Kollege von Wintershall, Mario Mehren, assistierte: “Sanktionen dürfen nicht für eigene Wirtschaftsinteressen missbraucht werden, wie etwa für die Durchsetzung von mehr US-Flüssiggas auf dem europäischen Markt.”Außenamtssprecher Schäfer sagte, es sei noch zu früh anzunehmen, dass das, was auf dem Tisch liege, auch verabschiedet werde. Auch danach gebe es noch genügend Zeit und Raum, um mit der US-Seite zu sprechen und auf die gemeinsame Zusammenarbeit zu pochen. So sei bei der nun nachgebesserten Fassung etwa bei der wichtigen Frage des Umgangs mit russischen Energielieferungen nach Europa vermerkt, dass der US-Präsident gehalten sei, sich mit der EU zu beraten, bevor er Maßnahmen treffe – “wir sind ein großes Stück vorangekommen”.