Berlin wappnet sich für harten Brexit
wf/cru Berlin/Düsseldorf – Die Bundesregierung treibt mit Hochdruck die Vorbereitungen auf einen ungeordneten Brexit voran. Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, wirbt in einem Brief an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble um Unterstützung für die zügige Verabschiedung der notwendigen Gesetze: “Die innenpolitische Lage im Vereinigten Königreich bleibt volatil”, warnt Roth in dem Schreiben an Schäuble, das der Börsen-Zeitung vorliegt. Ein automatisches Ausscheiden Großbritanniens ohne Abkommen, also ein ungeordneter Austritt, sei nicht auszuschließen, heißt es dort. Die Vorbereitungen dafür habe die Bundesregierung “konsequent vorangetrieben”.Offiziell bleibt die Bundesregierung nach Ablehnung des Abkommens zum Austritt Großbritanniens aus der EU im britischen Unterhaus zurückhaltend. “Wir warten jetzt auf das, was die britische Premierministerin vorschlägt”, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin. Im Auswärtigen Ausschuss sprach sich Merkel gegen Neuverhandlungen mit London aus, berichtete die Nachrichtenagentur dpa-afx. Mahnende Worte fand Regierungssprecherin Ulrike Demmer: “Ein Austritt Großbritanniens ohne Abkommen wäre in niemandes Interesse.” Die Bundesregierung sei aber sowohl auf einen geordneten als auch auf einen ungeordneten Brexit vorbereitet. Die Regierung arbeite mit Hochdruck daran, auf gesetzlicher wie untergesetzlicher Ebene auf alle Szenarien vorbereitet zu sein. Mit der Wirtschaft bestehe enger Kontakt. Vorbereitung unter HochdruckDas Bundeskabinett hatte am 12. Dezember ein umfangreiches Gesetzespaket für den Fall eines ungeregelten Brexit im Kabinett beschlossen. Es befindet sich im parlamentarischen Verfahren. Das Paket umfasst zum einen Regelungen zu den Bereichen Arbeit, Bildung, Gesundheit, Soziales und Staatsangehörigkeit nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs. Zum anderen wurden steuerliche Begleitregelungen und zahlreiche Maßnahmen im Finanzmarktsektor auf den Weg gebracht. Die Novellen schaffen Bestandsschutz für steuerliche Altfälle und regeln den Sozialversicherungsschutz britischer und deutscher Bürger. Der Finanzaufsicht BaFin räumt der Gesetzentwurf mehr Rechte ein, um im Fall eines harten Brexit Banken und Versicherern mit Sitz in Großbritannien Übergangsregelungen bis 2020 einräumen zu können.Mit Blick auf den Finanzmarkt hat die EU-Kommission zudem für den ungeregelten Übergang Vorsorge im Derivatebereich für alle EU-Mitgliedstaaten im Verhältnis zu Großbritannien gefunden. So sollen auf zwölf Monate befristete Äquivalenzmaßnahmen für zentrale Gegenparteien (CCPs) Störungen beim zentralen Clearing verhindern. Äquivalenzmaßnahmen für Zentralverwahrer (CSDs) sollen in einer Frist von 24 Monaten für Ruhe sorgen. Schließlich können ein Jahr lang bestimmte außerbörsliche Derivatekontrakte von Gegenparteien im Vereinigten Königreich auf Gegenparteien in der Union zu erleichterten Bedingungen übertragen werden. Auch im Luftverkehr, im Straßengüterverkehr, in der Klimapolitik, beim Zoll und beim Aufenthalt von britischen Staatsbürgern in der EU hat Brüssel für Übergangsregelungen auch im Fall eines harten Brexit gesorgt. Briten würden DrittstaatlerDie Bundesregierung hat darüber hinaus mit zahlreichen untergesetzlichen Maßnahmen auf den harten Übergang vorbereitet. Britische Staatsbürger, die über Nacht zu Angehörigen aus Drittstaaten werden, haben drei Monate Zeit, um eine Aufenthaltsgenehmigung bei den Ausländerbehörden zu beantragen. Dies dürfte zahlreiche Banker hierzulande treffen. Der Bundestag hat dem Zoll 2019 Mittel für 900 Planstellen für Brexit-Aufgaben bewilligt. Mehr Arbeit und Personalbedarf kommt auch auf die Zulassungsbehörden etwa für Pflanzenschutzmittel oder Medizinprodukte zu. Gefordert sind auch die Stellen zur Anerkennung von Berufsqualifikationen z.B. bei Handwerkern oder Rechtsanwälten.