Auftakt ins Superwahljahr

Berlin wartet auf Signale aus Südwest

Das Superwahljahr startet am Sonntag mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Grüne, SPD und FDP erhoffen sich von ihnen Signalwirkung für die Bundestagswahlwahl im September – Richtung Schwarz-Grün oder möglichst kräftige Ampelfarben.

Berlin wartet auf Signale aus Südwest

Von Stefan Paravicini, Berlin

Im politischen Verkehr kann nicht nur eine Ampel Signalwirkung entfalten. Vor dem Start in das Superwahljahr 2021 mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz an diesem Sonntag ist die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen dennoch in aller Munde. Denn nicht nur in Mainz, wo eine Ampel unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) seit 2016 regiert, könnte es nach den jüngsten Umfragen wieder für eine Dreierkombination aus Rot, Gelb und Grün reichen, sofern sich die Union im Kopf-an-Kopf-Rennen auf den letzten Metern nicht doch noch an der SPD vorbeischiebt. Manche politischen Beobachter halten auch eine Ampel in Stuttgart für denkbar, wo Winfried Kretschmann seit 2011 als erster grüner Ministerpräsident in einem Bundesland regiert und 2016 den Koalitionspartner SPD gegen die CDU auswechselte. Die Union gilt nach den jüngsten Umfragen in Baden-Württemberg als sicherer Wahlverlierer. Würde Kretschmann, der von der renommierten Wochenzeitschrift „The Economist“ gerade zum mächtigsten Grün-Politiker in Europa geadelt wurde, seine Fühler nach der Wahl in Richtung SPD und FDP ausstrecken, ließe das die Ampelfarben im Südwesten sechs Monate vor der Bundestagswahl jedenfalls umso heller aufleuchten – und wohl ein sichtbares Zeichen nach Berlin senden.

Die jüngsten Signale aus Südwest deuten in eine andere Richtung. Denn Kretschmann hat sich erst in dieser Woche für eine schwarz-grüne Option im Bund stark gemacht und seinen Koalitionspartner auch in der Maskenaffäre in Schutz genommen. Im Fernsehduell mit CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann zeigte er sich zwar grundsätzlich offen für eine Ampelkoalition als Alternative. Dem grünen Ministerpräsidenten scheint aber mehr daran gelegen zu sein, dass von seinem Bundesland ein starkes Signal für eine Koalition aus Grünen und CDU ausgeht – und zwar gerne in dieser Reihenfolge.

Grüner Führungsanspruch

„Die Botschaft von einem Wahlsieg in Baden-Württemberg wäre: Wir können die Union schlagen“, sagte Michael Kellner, der Bundesgeschäftsführer der Grünen, in dieser Woche im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters mit Blick auf die Bundestagswahl, für die die Parteispitze schon vor Monaten einen Führungsanspruch reklamiert hat. Die Umfragen auf Bundesebene geben das trotz der jüngsten Schwäche der Union aber nicht her. Die Botschaft von einem Wahlsieg der Grünen in Baden-Württemberg lautete wie schon 2011 und 2016 vor allem, dass Winfried Kretschmann die Union schlagen kann. Das belegen die Kompetenzwerte der Grünen in einer Umfrage von Forsa: In Baden-Württemberg sagten zuletzt fast vier von zehn Befragten, dass die Grünen die Probleme des Landes am besten lösen könnten. Im Bund sagen das aktuell nur 10%.

Amtsinhaberbonus

Nicht nur die Grünen erhoffen sich zum Start in das Superwahljahr Rückenwind. Auch die SPD kann jede Unterstützung für den Bund gebrauchen. Alles andere als eine Bestätigung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz wäre eine Enttäuschung. Ein Einzug in die Re­gierung in Stuttgart würde dagegen für positive Dynamik im Lager von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sorgen. Wenige Tage vor den beiden Landtagswahlen scheint die SPD aber wie die Grünen vor allem vom Amtsinhaberbonus und nicht von einem bundesweiten Trend zu profitieren. So liegt die Partei in Baden-Württemberg nur knapp über 10%, während es in Rheinland-Pfalz 30% sind. Die Grünen erreichen in Baden-Württemberg nach zehn Jahren Kretschmann an der Landesspitze in manchen Umfragen 35% und kommen in Rheinland-Pfalz derzeit auf 12% (siehe Grafik).

Für die CDU geht es um Schadensbegrenzung. Eine Niederlage von Spitzenkandidatin Eisenmann im „Ländle“ gilt als sicher. Die Bundes-CDU hofft aber, dass die Partei in Rheinland-Pfalz vor der SPD landet, auch weil eine Rekordzahl an Briefwählern schon abgestimmt hatte, bevor die CDU in Umfragen vor allem wegen der Maskenaffäre absackte (siehe nebenstehenden Text).

Auf der Gewinnerseite könnten im Südwesten auch die Liberalen landen. Geht es nach den Umfragen, muss sich die FDP jedenfalls keine Sorgen mehr um den Wiedereinzug in die beiden Landtage machen. Eine Bestätigung der Ampel in Mainz und mögliche Sondierungen über ein Dreierbündnis in Stuttgart würden auch die Machtperspektive der Liberalen in Berlin untermauern.

Die AfD, die weder in Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz noch in Berlin als Koalitionspartner in Frage kommt, versucht die wachsende Unzufriedenheit über die Coronapolitik wenig subtil für sich zu nutzen. Die AfD-Landtagsfraktion in Mainz lässt dazu die Coronapolitik der Landesregierung vom Verfassungsgerichtshof auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen. Dabei geht es besonders um die Frage, ob die „längerfristigen Grundrechtseingriffe“ durch die Coronaverordnungen vom Parlament hätten genehmigt werden müssen. Die Linken haben im Südwesten laut aktuellen Umfragen keine Chance auf den Einzug in die Landtage.

Der nächste Termin im Superwahljahr ist die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni, bevor am 26. September zusammen mit dem Bundestag auch die Landtage von Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen gewählt werden.