Bernankes Bankprobleme
Es sagt schon einiges über die Verfassung des amerikanischen Kreditmarkts aus, wenn US-Banken selbst dem früheren Chef der US-Notenbank, Ben Bernanke, die Refinanzierung seines Häuserkredits verweigern. Anlässlich einer Währungskonferenz hatte Bernanke kürzlich von seiner diesbezüglichen Erfahrung berichtet und es darauf zurückgeführt, dass die Banken bei der Darlehensvergabe eben besonders vorsichtig seien. Wie Kritiker der Kreditwirtschaft indes meinen, illustriert die Situation vielmehr, wie irrational die Geldhäuser dieser Tage mit Häuserkrediten umgehen.Streng genommen ist es gar nicht so “irrational”. Die Banken wenden nur eine einfache Formel an: Entscheidend für die Kreditwürdigkeit des Antragstellers ist danach zunächst dessen Einkommen. Darin bestand Bernankes erstes “Problem”. Denn er bezieht kein konstantes Monatsgehalt mehr, sondern erhält derzeit für jeden seiner öffentlichen Auftritte “nur” bis zu 250 000 Dollar – und kassiert damit in 45 Minuten mehr als früher in einem ganzen Jahr. Das Jahressalär des Fed-Chefs lag seinerzeit bei 201 400 Dollar.Insofern dürfte die Bonität eigentlich ausgereicht haben. Aber es gibt bei den Banken offensichtlich auch große Lücken bei der Erfassung der privaten Finanzen von über 300 Millionen Amerikanern. Zudem sind die sogenannten Kreditnoten (“credit scores”) noch wichtiger als das Einkommen selbst. Diese Scores werden von den drei Organisationen Equifax, Experian und Transunion vergeben. Sie sind vergleichbar mit der deutschen Schufa. Weichen die Noten voneinander ab, und das ist fast ausnahmslos der Fall, dann wenden die Banken bei der Entscheidung über einen Häuserkredit den mittleren Wert an. Dabei stellen Verbraucherschutzorganisationen immer wieder fest, dass es bei der Bonitätserfassung zu gravierenden Fehlern kommt, die dazu führen, dass kreditwürdigen Kandidaten das Darlehen verweigert wird.”Ich gehe fest davon aus, dass sich bei Bernanke, wie bei Millionen anderer Amerikaner, Fehler eingeschlichen haben”, sagt der Kreditvermittler Brian Ghanbari. Im Gegensatz zu Banken haben Darlehensmakler noch mehr Flexibilität, bei ihren besten Kunden Abweichungen von den rigiden Kreditvergabestandards durchzusetzen. Übersehen haben könnte der ehemalige Zentralbankchef deshalb auch etwas anderes: Für einen konventionellen Häuserkredit, der von der Federal Housing Finance Agency garantiert wird, darf die Darlehenssumme 625 500 Dollar nicht übersteigen. Bernanke hingegen hatte 672 000 Dollar angefordert und wäre damit nur für einen Kredit in Frage gekommen, der nicht staatlich garantiert ist. *Vor der Rezession und Finanzkrise hätte man es nicht für möglich gehalten, doch in Amerika breitet sich ein neuer “Minimalismus” aus. Zwar gilt im Land der unbegrenzten Möglichkeiten seit jeher die Devise “bigger is better”, mittlerweile kaufen aber viele Autofahrer anstelle riesiger Sportgeländewagen Minis oder Smart Cars. Noch erstaunlicher ist in einem Land, wo das durchschnittliche Einfamilienhaus 240 Quadratmeter Wohnfläche hat, die wachsende Beliebtheit sogenannter “Winzighäuser”. In allen 50 Staaten sind schon Siedlungen zu finden, in denen teilweise vierköpfige Familien auf weniger als 20 Quadratmetern schlafen, kochen, essen, arbeiten und duschen.Der Trick: Das Einzimmerhaus ist multifunktionell, mit aufklappbaren Betten, ausziehbaren Tischen und anderen Wohnelementen, die nur nach Bedarf zum Einsatz kommen und dann Platz in Anspruch nehmen. Zwar machen die Winzighäuser nur 1 % aller privaten US-Immobilien aus, aber mit steigender Tendenz. Heute sind sie immerhin so beliebt, dass es im Fernsehen bereits eine Reality-Sendung (“Tiny House Nation”) über Familien gibt, die überzeugt sind, auch ohne riesige Villa glücklich sein zu können. Hinzu kommt, dass in den für viele nach wie vor wirtschaftlich angespannten Zeiten Miniaturhäuser eine sinnvolle Lösung sind. Man zahlt nämlich nicht eine halbe Million, um den amerikanischen Traum vom Eigenheim zu realisieren. Winzighäuser sind ab 20 000 Dollar zu haben.