Bert Rürup 70
lz – Es gibt wohl kaum einen anderen Wirtschaftswissenschaftler in Deutschland, der so ungezwungen und zugleich überzeugend auf den verschiedenen Bühnen von Politik, Wissenschaft und Wirtschaft agiert wie der frühere Chef der Wirtschaftsweisen Bert Rürup. Besonders nach seiner Pensionierung als Hochschullehrer zeigte er durch seine verschiedensten Aktivitäten, dass er längst nicht zum “alten Eisen” zählt, und hat seine Schlagzahl eher noch erhöht. So fungierte er als Chefökonom beim Finanzdienstleister AWD, etablierte dann zusammen mit AWD-Gründer Carsten Maschmeyer eine Beratungsgesellschaft für Banken, Versicherungen und Regierungen, die MaschmeyerRürup AG, und leitet seit Januar 2013 als Präsident das Handelsblatt Research Institute.Gewissermaßen nebenher agierte er als Präsident der International School of Management mit Hauptsitz in Dortmund, ein Amt, das er vergangenes Jahr nach zwei Jahren wieder abgegeben hat und ins Kuratorium wechselte. Noch im selben Jahr setzte er sich als Kuratoriumsvorsitzender des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dafür ein, die Vakanz auf dem Präsidentenstuhl des Instituts zu beenden, und konnte EZB-Ökonom Marcel Fratzscher zum Wechsel nach Berlin überzeugen – mit allen Herausforderungen, welche die Leitung eines so großen Instituts mit sich bringt. Und zum Jahresende wurde er auch noch als Schlichter eingesetzt im Tarifstreit zwischen Lufthansa-Führung und der Kabinengewerkschaft UFO. Angesichts der Unerfahrenheit Rürups im “Schlichtergewerbe” war es schon eine Kunst, die beiden zerstrittenen Parteien von seinem Kompromissvorschlag zu überzeugen. Insofern dürften wohl bei der nächsten schwierigen Tarifrunde noch andere Branchen bei Rürup anklopfen und um Schlichtung bitten.In den Jahren davor war es vor allem die Bundesregierung jeglicher Zusammensetzung, die den Darmstädter Professor um Rat fragte. Dabei ging es vor allem um Rürups Spezialgebiet: die Rentenpolitik – ein Bereich, in den sich wegen der vielen politischen Fallstricke und der vielfach notwendigen Rücksichtnahmen nur wenige Ökonomen trauen. Denn in dieser Rolle müssen sie bisweilen mit der reinen Lehre brechen und würden sich dann der Häme der Kathederökonomen ausgesetzt sehen, die sich in ihre Modellwelten eingeschlossen haben.Doch Rürup hat sich noch nie darum geschert. Kaum ein anderer Fachkollege klinkte sich zeitlebens so selbstverständlich in den politischen Prozess ein, stand den Abgeordneten und der jeweiligen Bundesregierung so häufig mit Rat und Tat zur Seite wie er. Dazu verhelfen ihm auch seine gute Kenntnis der politisch-institutionellen Prozesse, sein diplomatisches Geschick – und seine Geduld. Freilich musste Rürup dann auch immer wieder Ergebnisse vertreten, die den Keim des Unsystematischen oder des Systembruchs in sich tragen. Was ihn aber weniger störte, weil er mit der Umsetzung ökonomische Lehren gewissermaßen operationalisieren und realisieren konnte, wovon viele Fachkollegen nicht einmal träumen konnten.Seine jahrelange Tätigkeit als Regierungsberater und Rentenexperte wurde gewissermaßen gekrönt mit einem Finanzvehikel, das in der Bevölkerung mit seinem Namen verbunden wird: der Rürup-Rente, einer steuerlich begünstigten Form der privaten Altersvorsorge.Aber nicht nur in der Rentenpolitik hat sich Rürup einen Namen gemacht: Als Vorsitzender diverser Reformkommissionen und – nicht zuletzt – als Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, “Wirtschaftsweise”, ist er von der Politik immer wieder eingesetzt worden, um auch andere komplexe ökonomische Problemstellungen in politisch operationale Handlungsoptionen umzusetzen.An diesem Donnerstag feiert Bert Rürup, der bis Ende 2011 Professor für Volkswirtschaftslehre – insbesondere Finanzwissenschaft – an der TU Darmstadt war, seinen 70. Geburtstag.