CORONAKRISE

Beruhigungspille

Es ist in der Coronakrise nicht leicht, die Bevölkerung zu beruhigen und dabei nicht zu belügen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ging gestern schließlich in die Offensive, nachdem sie bislang ihrem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) medial das...

Beruhigungspille

Es ist in der Coronakrise nicht leicht, die Bevölkerung zu beruhigen und dabei nicht zu belügen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ging gestern schließlich in die Offensive, nachdem sie bislang ihrem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) medial das Feld überlassen hatte. Merkels sachliche Art wirkt wohltuend in einer Lage, in der auch die Spezialisten in der Forschung noch große Wissensdefizite über das neuartige Virus haben. Merkel räumte freimütig ein, dass derzeit weder die Dauer der inzwischen zur Pandemie hochgestuften Ausbreitung der Erkrankung noch die wirtschaftlichen Folgen absehbar sind. Das ist eine ehrliche Flucht nach vorn. “Das ist eine besondere Situation. Wir werden das, was notwendig ist, tun”, lautet die Botschaft der Kanzlerin. Dies gilt auch für eine mögliche größere Verschuldung des Bundes, die Ergebnis von Entscheidungen sein kann, aber nicht das Ziel ist, wie es mancher einfordert. Schuldenbremse und der europäische Stabilitätspakt lassen dafür genügend Spielraum.Die Unbestimmtheit von Merkels Äußerung entspricht der Sachlage. Die Kanzlerin ist krisenerfahren. Als sie zusammen mit dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) in den Finanzturbulenzen des Herbstes 2008 versprach, dass die Spareinlagen sicher sind, wurde die Regierung wochenlang von der Presse gelöchert, wie dies genau gemeint sei. Auf solche Fragen gibt es in unsicherer Lage keine präzisen Antworten. Der Beruhigungsfaktor liegt in dem Vertrauen in die Person und ihre Mitstreiter, dass sie mit ruhiger Hand durch die Krise steuern werden. Wirklich falsche Versprechen würden sofort entlarvt.Beim politisch talentierten Jens Spahn, der für einige in der CDU durchaus ein Hoffnungsträger der durchgerüttelten Partei ist, beschleicht einen der Eindruck, das neue Virus kommt wie gerufen, um die “Marke Spahn” zu stärken. Er unterstützt Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet im Werben um den CDU-Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur. Spahn, der vor einem Jahr selbst um den Parteivorsitz gerungen hatte, überließ nun Laschet den Vortritt. Damit verbindet sich die berechtigte Hoffnung auf eine Schlüsselposition wie den Fraktionsvorsitz, sollte das Duo reüssieren. Der weitere Aufstieg in der Partei ist Spahn damit nicht verstellt, im Gegenteil. Die Coronakrise ist für ihn Bewährungsprobe. Er lächelt derzeit in den Nachrichten permanent in Kameras und spricht in viele Mikrofone. Um Vertrauen zu schaffen, fehlt ihm aber etwas Zentrales: die etwas spröde Merkel’sche Herzenswärme.