LEITARTIKEL

Bewegt euch endlich!

Was sich nunmehr seit Jahren rund um die Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) abspielt, kann man nur noch als Trauerspiel bezeichnen: 2010 hatten sich die Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, die Finanzmittel des Fonds zu erhöhen, vor allem...

Bewegt euch endlich!

Was sich nunmehr seit Jahren rund um die Reform des Internationalen Währungsfonds (IWF) abspielt, kann man nur noch als Trauerspiel bezeichnen: 2010 hatten sich die Mitgliedsstaaten darauf geeinigt, die Finanzmittel des Fonds zu erhöhen, vor allem aber aufstrebenden Volkswirtschaften wie China, Indien oder Brasilien mehr Mitsprache zu geben. Bis heute aber – im Jahr 2015! – ist die Reform nicht in Kraft, weil der US-Kongress sie blockiert. Für die USA ist das hochgradig peinlich. Aber auch für den Rest der Welt ist das ein Übel: Am Ende steht die Legitimität des IWF auf dem Spiel – der als einzige internationale Institution seiner Art, als globale Finanzfeuerwehr, unverzichtbar ist.Sicher, man muss nicht alles gut finden, was der IWF sagt und tut. Im Gegenteil: So ist der Fonds noch viel zu beseelt vom vermeintlichen Allheilmittel des billigen Notenbankgeldes. Im Bestreben, das globale Finanzsicherheitsnetz auszuweiten, droht er es mitunter zu übertreiben. Zudem hat er sich in den vergangenen Jahren teils allzu leichtfertig politisieren lassen und die eigenen Regeln – Stichwort: Griechenland – arg strapaziert. Mit all dem hat sich der Währungsfonds ganz bestimmt keinen Gefallen getan.Genauso sicher aber ist, dass der IWF unentbehrlich ist: Noch 2007 schien er manchem Experten angesichts vieler Jahre stabilen Wachstums der Weltwirtschaft und ausbleibender Finanzkrisen auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit. In der Weltfinanzkrise aber ist er wie ein Phönix der Asche entstiegen. Auch künftig wird es Krisen geben – das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Dann braucht es diese “letzte Kreditinstanz”. Mit seinen aktuell 188 Mitgliedsländern bildet der IWF zudem eine einzigartige globale Plattform in Wirtschafts- und Finanzfragen. All diese Vorteile dürfen nicht fahrlässig aufs Spiel gesetzt werden.Wenn nun die Reform stockt, ist nicht so sehr die Finanzausstattung des Fonds das Problem. Diese scheint dank temporärer, bilateraler Kreditzusagen neben den Eigenmitteln (Quoten) aktuell ausreichend. Ein Vorteil der Reformpläne wäre indes, dass Finanzzusagen und Stimmrechte wieder in Einklang gebracht würden. Die ganz große Gefahr aber ist eine andere: dass sich nämlich die Schwellenländer vom IWF abwenden, wenn sie sich auf Dauer nicht angemessen repräsentiert fühlen. Längst gibt es Absetzbewegungen: 2014 haben China, Brasilien, Indien, Russland und Südafrika eine Entwicklungsbank und einen “Mini-IWF” gegründet. In Asien gibt es die Chiang-Mai-Initiative. Nun muss man nicht immer gleich das Ende des IWF-Abendlandes ausrufen. Gerade China als Supermacht (der Zukunft) hat großes Interesse am IWF. Niemand sollte es aber als gesetzt ansehen, dass das auf ewig so bleibt.Umso dringlicher ist jetzt, dass sich etwas bewegt. Wenn die USA weiter blockieren, müssen die anderen handeln. Es ist deshalb richtig, wenn nun bei der IWF-Frühjahrestagung über Zwischenschritte diskutiert wird. Ein erster Schritt könnte es sein, ad hoc zumindest den besonders dynamischen Schwellenländern mehr Stimmrechte zu geben. Sie verdienen die Anerkennung, und es ist ein Weg, sie auch stärker in die Pflicht zu nehmen. Einige Beobachter denken auch bereits das Undenkbare: dass der IWF ohne die USA voranschreitet. Aber auch da gilt: Ohne die USA wäre der Fonds nicht der gleiche. Ob das also ein sinnvoller Weg ist, scheint mehr als fraglich.Im besten Fall bringen solche Gedankenspiele die US-Verhandler aber zur Besinnung. So vielfältig die Gründe für die Blockade sein mögen – von innenpolitischen Machtspielen bis zu generellen Ressentiments gegenüber multilateralen Institutionen -, so kurzsichtig sind sie: Das Arsenal der US-Wirtschaftsdiplomatie wäre mit einem geschwächten IWF limitierter. Die USA täten zudem gut daran, sich zu erinnern, dass es nach dem Ersten Weltkrieg nicht zuletzt das Versagen war, internationale Institutionen zur wirtschaftlichen Kooperation zu schaffen, das die Große Depression der 1930er Jahre verschärft hatte. Als Lehre entstand 1944 das Bretton-Woods-System samt IWF.Die 2010er Reform abzuhaken ist auch deshalb so essenziell, weil es längst weitere Fortschritte braucht – und eine generelle Debatte über die Zukunft des Fonds: So sehr der IWF als Kreditinstanz benötigt wird, so wenig darf er zur Vollkaskoversicherung gegen jeglichen wirtschaftlichen Schlendrian mutieren. So sehr er als Frühwarnsystem für Krisen geeignet ist, so wenig ist er das als Heilsbringer beim Klimawandel. Der IWF hat ein imposantes Comeback hingelegt – nun gilt es, sein Mandat nicht überzustrapazieren.——–Von Mark SchrörsSeit Jahren stockt die Reform des Internationalen Währungsfonds. Das ist eine unhaltbare Situation. Es geht um die Legitimität des IWF – und um seine Zukunft.——-