US-Präsidentschaftsvorwahlen

Ein Schicksalsjahr für die amerikanische Demokratie

Mit den "Caucuses" in Iowa beginnt am Montag ein Schicksalsjahr für die USA. Während der republikanische Favorit Donald Trump angekündigt hat, "am ersten Tag ein Diktator" sein zu wollen, spricht der amtierende Präsident Joe Biden von einem "Kampf für die Demokratie".

Ein Schicksalsjahr für die amerikanische Demokratie

Ein Schicksalsjahr für die amerikanische Demokratie

Abstimmungen in Iowa und New Hampshire läuten Wahljahr ein – Favoriten Trump und Biden müssen noch Hürden nehmen

det Washington

Die Vereinigten Staaten sind weniger als zehn Monate von einer Präsidentschaftswahl entfernt, die entscheiden könnte, ob die US-Demokratie robust genug ist, um dem Populismus der Marke "Trump" zu widerstehen und das Abgleiten in eine Autokratie zu verhindern. Derzeit deuten alle Umfragen darauf hin, dass es am 5. November zu einer Neuauflage des Duells zwischen Donald Trump und seinem Nachfolger Joe Biden kommen wird. Beides Alternativen, die eine Mehrheit der Wähler für unbefriedigend hält. Doch das letzte Wort ist längst nicht gesprochen. 

Wer die Spitzenkandidaten sein werden, das bestimmen nämlich die Präsidentschaftsvorwahlen, die kommende Woche beginnen und immer wieder für Überraschungen gut sind. In Iowa werden sich am Montag Bürger in Bibliotheken, Schulen, Sporthallen und selbst den Wohnzimmern von Privatbürgern zu Wählerversammlungen, sogenannten "Caucuses", treffen. Diskutieren werden sie über Inflation, den Arbeitsmarkt, Energiepolitik und Gesundheitsreform bis hin zu den Kriegen im Nahen Osten und der Ukraine. Auch über Bidens Alter und die massiven juristischen Probleme, die Trump am Hals hat. 

Einzelne Wähler werden vortragen, welcher Republikaner, ob Trump, seine frühere UN-Botschafterin Nikki Haley, die eine fulminante Aufholjagd gestartet hat, oder Floridas Gouverneur Ron DeSantis der beste Kandidat wäre, um der Fülle von politischen Herausforderungen Herr zu werden. Am Ende des Abends hält dann jede Gruppe eine informelle Abstimmung und gibt einem der Anwärter auf das höchste Amt im Lande den Zuschlag.

Iowa ohne Signalwirkung

Dass die Ergebnisse in dem Agrarstaat die weitere Marschroute vorgeben werden, ist keineswegs sicher. So zählten in der Vergangenheit Außenseiter wie Mike Huckabee und Rick Santorum zu den Siegern, die dann rasch von der Bildfläche verschwanden. Zudem unterlagen in Iowa während der beiden letzten Wahlkämpfe auch die späteren Sieger, nämlich vor vier Jahren Biden und 2016 Trump.  

Ein verlässlicheres Stimmungsbild dürfte eine Woche später die Vorwahl in New Hampshire liefern, und dort ist einiges in Bewegung gekommen. Wie aus einer neuen Wählerbefragung des Nachrichtensenders CNN und der University of New Hampshire hervorgeht, ist Trumps zweistelliger Vorsprung gegenüber Haley auf 7 Prozentpunkte geschrumpft.  Die jüngste Wende, die sich auch in anderen Staaten abzeichnet, hat zeitgleich mit einem Kursschwenk in Haleys Wahlkampfstrategie begonnen. Seit einigen Wochen greift die ehemalige Botschafterin und South Carolinas Gouverneurin nämlich schonungslos die Schwachstellen des früheren Präsidenten an.

Zum einen kritisiert sie, dass Trump angekündigt hat, (zumindest) "am ersten Tag ein Diktator" sein zu wollen und zudem die Abschaffung der US-Verfassung gefordert hat. Gepaart mit seinem Vorhaben, das Justizministerium als Waffe gegen politische Gegner einzusetzen und diese vor Gericht zu stellen, hat Trump damit die Bereitschaft signalisiert, die Weichen für die Demontage demokratischer Institutionen zu stellen. Insbesondere geißelt Haley aber das heillose Chaos, das den früheren Präsidenten umgibt, und zwar in Form der zahlreichen Straf- und Zivilverfahren, die seine Kampagne bisher überschattet haben. "Trump versteht es, Dinge kaputtzumachen, jetzt brauchen wir aber jemanden, der sie wieder repariert", verspottete Haley bei einer Townhall-Diskussion den früheren Präsidenten. Angesichts seiner ständigen Auftritte vor Gericht wäre Trump gar nicht imstande, für die Wähler da zu sein, argumentiert sie.

Bei den Demokraten scheint die Gemengelage überschaubarer zu sein, zumindest auf den ersten Blick. So ist Biden einerseits ohne ernst zu nehmende Konkurrenz. Weder der Kongressabgeordnete und Unternehmer Dean Phillips (54) noch die Schriftstellerin und Motivationsrednerin Marianne Williamson (71) können ihm gefährlich werden. Auch ist es gang und gäbe – so auch bei Trump vor vier Jahren – dass ein amtierender Präsident, der sich um eine zweite Amtsperiode bewirbt, von seinen Parteifreunden nicht herausgefordert wird. 

Skepsis bei den Demokraten

Gleichwohl stehen neben hartnäckigen Zweifeln an Bidens Alter und Gesundheit auch andere Fragen im Raum. Durchaus möglich ist nämlich, dass dessen Sohn Hunter wegen Steuerhinterziehung verurteilt wird und eine Gefängnisstrafe bis zu 3 Jahren bekommen könnte. Eine wachsende Zahl von Demokraten spekuliert nun, dass der Präsident im Falle eines Schuldspruchs seinen Sohn begnadigen und wegen Interessenkonflikten dann seinen Verzicht auf eine zweite Amtsperiode erklären würde. Das wiederum könnte den Weg ebnen für einen Kandidaten wie Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom. Der dynamische Gouverneur, ein liberaler Demokrat, hat sich bereits auf nationaler Ebene profiliert und gilt als aussichtsreicher Anwärter auf die Spitzenkandidatur im Jahr 2028. Wie einige Demokraten hoffen aber vielleicht schon im laufenden Wahlkampf.

Zum System der Vorwahlen und der Abfolge des Wahlkampfs

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.