LEITARTIKEL

Big Bang in Zeitlupe

Nach jahrelanger Hinhaltetaktik ist es nun endlich passiert: Im unmittelbaren Anschluss an die Visite des US-Präsidenten Donald Trump verkündet China ein Paket von Öffnungsmaßnahmen für den Finanzdienstleistungssektor, das die Barrieren für...

Big Bang in Zeitlupe

Nach jahrelanger Hinhaltetaktik ist es nun endlich passiert: Im unmittelbaren Anschluss an die Visite des US-Präsidenten Donald Trump verkündet China ein Paket von Öffnungsmaßnahmen für den Finanzdienstleistungssektor, das die Barrieren für ausländische Banken, Fondsmanager und Versicherer beim Zugang zum chinesischen Markt entscheidend senkt. Ausländische Institute werden in absehbarer Zeit nicht mehr darauf beschränkt sein, höchstens 20 % an einer chinesischen Geschäftsbank zu halten. Gleichzeitig wird im bislang nur in Joint Ventures mit Minderheitsbeteiligungen möglichen Wertpapiergeschäft gewissermaßen eine Schallmauer durchbrochen. Die Beteiligungsschwelle erhöht sich von 49 auf 51 % und soll nach drei Jahren fallen gelassen werden. Ausländische Anbieter können dann auch bei chinesischen Brokern und Fondsmanagern die Regie übernehmen und einen wesentlich profilstärkeren Investmentbankauftritt pflegen.Allein die Tatsache, dass es ausländischen Banken nun theoretisch möglich sein wird, ein chinesisches Kreditinstitut zu übernehmen, gibt der Sache eine gewisse historische Dimension, denn seit dem Eintritt Chinas in die Welthandelsorganisation WTO vor praktisch genau 16 Jahren hat sich Peking stets davor gescheut, den heimischen Bankenmarkt einem verstärkten Wettbewerb mit ausländischen Instituten zu überlassen. Gerade im Finanzsektor spricht man bei wesentlichen Liberalisierungsschüben gerne von einem “Big Bang”, allerdings ist gerade die Vorstellung von allzu ruckartigen Veränderungen den stets um höchstmögliche Kontrolle bemühten chinesischen Wirtschaftsplanern ein echtes Gräuel. So sorgt man auch diesmal dafür, dass es mit dem seit langem versprochenen Liberalisierungspaket nur zu schrittweisen Veränderungen kommen kann. Die Interessenten für einen verstärkten China-Auftritt werden einen langen Atem mitbringen müssen.Dort, wo ausländische Banken theoretisch direkt zupacken könnten, nämlich beim Erwerb eines chinesischen Kreditinstituts, gibt es in der überwiegend staatskontrollierten chinesischen Kreditwirtschaft de facto nur sehr geringe Beteiligungsmöglichkeiten. Hier ist die Reise in den vergangenen Jahren in die andere Richtung gegangen. Eine Reihe von US-Banken und auch die Deutsche Bank haben sich von ihren Mitte der vergangenen Dekade eingegangenen Minderheitspaketen an chinesischen Banken wieder getrennt. Es galt nämlich, die eigene Kapitalbasis zu stärken, zudem wirkte der chinesische Markt im Zuge einer wachsenden Kreditausfallproblematik riskanter. Nur die aus historischen Wurzeln heraus dem großchinesischen Markt besonders zugetane HSBC Holdings hält noch eine signifikante Beteiligung von knapp 20 % an Chinas fünftgrößtem Kreditinstitut, Bank of Communications.Dass westliche Banken nun rasches Interesse an Beteiligungen oder gar Übernahmen von chinesischen Banken entwickeln werden, ist wenig wahrscheinlich. Denkbar ist aber, dass Kreditaufkäufer die neuen Regeln für ein forciertes Engagement im chinesischen Markt nutzen werden. Die Musik wird eher im Investment Banking und Wertpapiergeschäft spielen. Hier bejammern insbesondere US-Häuser die fehlenden Möglichkeiten für einen wuchtigen Eigenauftritt im Reich der Mitte. Im immer attraktiver werdenden Geschäft für Handel und Underwriting von chinesischen Aktien und Bonds, in der Vermögensverwaltung sowie dem Lebensversicherungsgeschäft gibt es enormes Potenzial, das mit den gegenwärtigen Joint-Venture-Arrangements nur sehr bescheiden genutzt werden kann.Aber gerade in den spannenden Bereichen werden die angekündigten Öffnungsschritte Pekings zögerlicher greifen. Die erweiterten Beteiligungsmöglichkeiten werden nur eine Vergrößerung des Footprint der ausländischen Anbieter im Zeitlupentempo erlauben. Die großen Wall-Street-Adressen, auf die das Maßnahmenpaket auch in Verschränkung mit der Trump-Visite besonders gemünzt ist, haben die Ankündigungen denn auch nur freundlich begrüßt und nicht gerade stürmisch bejubelt. Vor allem wird man sich mit dem Kleingedruckten intensiv beschäftigen müssen. Die neuen Maßnahmen treten erst in Kraft, wenn dahinter stehende Detailregulierungen von den chinesischen Behörden beraten und verabschiedet worden sind. Dann erst wird man genauer sehen, welche ausländischen Player sich von den Öffnungsschritten konkret angesprochen fühlen und auch bereit sind, für den forcierten China-Auftritt entsprechendes Kapital in die Hand zu nehmen.——–Von Norbert HellmannChina gewährt Ausländern mehr Zugang zum Finanzsektor. Diese werden aber viel Geduld mitbringen müssen, um neue Spielwiesen konkret nutzen zu können.——-