BIP-Talfahrt doch nicht so steil
Die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft im Euroraum auf eine Rekordtalfahrt geschickt – die aber doch nicht ganz so rasant ausfiel wie zunächst gemeldet. Insbesondere die Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte und die geringeren Bruttoanlageinvestitionen drückten das Bruttoinlandsprodukt.ba Frankfurt – Der herbe Schlag, den die Corona-Pandemie der Wirtschaft im Euro-Währungsraum versetzt hat, fiel doch nicht ganz so heftig aus wie zunächst gemeldet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der 19 Euro-Länder brach laut dem Statistikamt Eurostat im zweiten Quartal um saisonbereinigt 11,8 % im Vergleich zum Vorquartal ein. Dies ist zwar immer noch der stärkste Rückgang seit Beginn der Zeitreihe 1995, die Schnellschätzung hatte aber noch ein Minus von 12,1 % ergeben.Auch wenn die jüngsten Konjunkturindikatoren eine Erholung anzeigen – die zudem bereits wieder an Dynamik verliert -, dürfte dies nach Ansicht von Beobachtern den EZB-Rat wohl eher darin bestärken, nur geringfügig an den makroökonomischen Projektionen zu schrauben, die an diesem Donnerstag nach der Ratssitzung vorgelegt werden. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hatte bereits betont, man müsse die wirtschaftliche Entwicklung des zweiten und dritten Quartals gemeinsam betrachten. Einem weniger steilen Einbruch würde wohl ein weniger kräftiger Anstieg der Wirtschaftsaktivitäten folgen. Einen aktuellen Beleg des langsameren Erholungstempos liefern die Frühindikatoren der Industrieländerorganisation OECD: Diese sind zwar von ihren pandemiebedingten Tiefstständen weiter gestiegen, doch hat sich in allen großen OECD-Volkswirtschaften sowie in allen Schwellenländern (mit Ausnahme Chinas und Brasiliens) eine Verlangsamung gezeigt, wie es gestern bei der in Paris ansässigen Organisation hieß. Zudem steigen die Infektionszahlen in zahlreichen Länder derzeit kräftig weiter – Erfolg oder Misserfolg bei der Pandemiebekämpfung bestimmen maßgeblich die weitere konjunkturelle Entwicklung. Südländer leiden am meistenDie staatlich verhängten Lockdowns, die in den besonders stark betroffenen südlichen Ländern des Euroraums sehr strikt ausgefallen waren, haben vor allem im April große Teile der Wirtschaft lahmgelegt. Zudem haben sich die anfänglichen Hoffnungen der meist erheblich vom Tourismus abhängigen Länder auf eine normale Sommersaison, die zumindest einen Teil des Rückgangs auffangen würde, nicht erfüllt. Dementsprechend weit ist die Schere unter den Euro-Staaten auseinandergegangen – Länder wie Spanien (- 18,5 %), Griechenland (- 14,0 %), Portugal (-13,9 %) und Italien (- 12,8 %) verzeichneten die schärfsten BIP-Einbrüche. Deutschland kam mit einem Minus von 9,7 % vergleichsweise glimpflich davon ebenso wie die Niederlande (- 8,5 %), Österreich (- 10,4 %) und Finnland (- 4,5 %).Der Blick auf die gestern veröffentlichten BIP-Details zeigt, dass mit Ausnahme der Konsumausgaben des Staats, die um 2,6 % unter dem Niveau des Vorquartals lagen, sämtliche Komponenten zweistellig eingebrochen sind und das BIP kräftig schmälerten: Die privaten Haushalte schränkten die Konsumausgaben um 12,4 % ein, die Bruttoanlageinvestitionen schrumpften um 17,0 %. In etwas geringerem Umfang belastete der Außenhandel, da die Exporte mit – 18,8 % nur etwas stärker einbrachen als die Importe mit – 18,0 %.Dass die Erwerbstätigkeit im zweiten Quartal “nur” um 2,9 % zum Vorquartal nachgab, führt Eurostat auf die staatlichen Unterstützungsprogramme zurück. Auf die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden allerdings schlug die Corona-Pandemie deutlicher durch: Deren Zahl sank um 12,8 % im Quartalsvergleich bzw. um 16,6 % zum Vorjahr. Auch dies waren laut Eurostat die kräftigsten seit 1995 gemessenen Rückgänge.