BIZ mahnt radikales Umdenken an
ms Frankfurt – In der Debatte über die Zukunft des internationalen Währungssystems hat BIZ-Topökonom Claudio Borio ein grundsätzliches Umdenken auf nationaler und internationaler Ebene angemahnt. Auf globaler Ebene müssten die Übertragungs- und Rückkopplungseffekte (“Spillovers” und “Spillbacks”) nationaler Politikentscheidungen viel stärker als bislang berücksichtigt werden, sagte er gestern laut Redetext auf einer Konferenz in Zürich. Dafür gebe es verschiedene Optionen, wobei die ambitionierteste jene sei, “neue globale Spielregeln” festzulegen, die die nationalen Politiken disziplinieren sollten.Borio, Leiter der Währungs- und Wirtschaftsabteilung der Zentralbank der Zentralbanken BIZ, verwies in dem Zusammenhang auch auf Vorschläge des indischen Notenbankpräsidenten Raghuram Rajan. Rajan hatte unlängst eine Art Ampelsystem für die Geldpolitik der Zentralbanken angeregt. Für solche Maßnahmen, die im betreffenden Land nur geringe positive Effekte zeitigten, aber mit enormen Gefahren für andere Länder verbunden seien, solle es ein rotes Signal geben.Nach der Weltfinanzkrise 2008 diskutieren immer mehr Notenbanker und Experten über die Zukunft der Währungsordnung. Hintergrund sind insbesondere erhöhte Sorgen wegen starker Wechselkursschwankungen und die zunehmende Bedeutung internationaler Kapitalflüsse, die zuletzt einer hohen Volatilität unterlagen. So verzeichneten etwa die Schwellenländer starke Kapitalabflüsse wegen der Aussicht auf Zinserhöhungen der US-Notenbank Fed.BIZ-Ökonom Borio untermauerte nun frühere Forderungen der BIZ, die sie unter anderem in ihrem jüngsten Jahresbericht formuliert hatte. Auf nationaler Ebene müsse es darum gehen, viel stärker den Fokus auf die Finanzzyklen zu legen und mittels Geld-, Fiskal- und Strukturpolitik den Aufbau finanzieller Ungleichgewichte zu verhindern. Kooperation bei GeldpolitikInternational müssten Spillovers und Spillbacks viel mehr Einfluss in die jeweiligen Entscheidungen finden. Das Minimum sei “ein aufgeklärtes Eigeninteresse”, basierend auf einem intensiven Informationsaustausch. Einen Schritt weiter ginge es, wenn es sogar gelegentliche gemeinsame Zinsentscheide oder Devisenmarktinterventionen gäbe. Die dritte Lösung, die am ambitioniertesten sei, bestehe darin, neue globale Spielregeln festzulegen, die für mehr Disziplin bei den nationalen Maßnahmen sorgen würden. Dafür wäre aber ein stärkeres Bewusstsein der Dringlichkeit und der gemeinsamen Verantwortung vonnöten.Keine Lösung sieht Borio indes darin, das derzeit vom Dollar dominierte Währungssystem durch eines zu ersetzen, in dem mehrere Währungen gleichzeitig eine prägende Rolle spielen. Das Hauptproblem sei ein fehlender Anker für das System als Ganzes. “Mir ist nicht klar, warum mehr Pluralismus die Antwort darauf sein sollte”, sagte Borio.