BIZ sorgt sich um Unabhängigkeit der Notenbanken
ms Frankfurt – Die Zentralbank der Zentralbanken BIZ ist in großer Sorge, dass die enge Kooperation zwischen Regierungen und Notenbanken im Kampf gegen die Coronakrise zum Risiko für die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Notenbanken werden kann. Wenn in der Zukunft die Inflation wieder anziehe, was zu erwarten sei, könne es seitens der Regierungen, die ihre Verschuldung stark erhöht haben, Druck geben, die Geldpolitik nicht zu straffen, warnt die BIZ in ihrem gestern veröffentlichten jährlichen Wirtschaftsbericht. “Ein Hauptrisiko ist fiskalische Dominanz”, heißt es.Mit ihrer Warnung befeuert die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die Diskussion über die zunehmend verwischenden Grenzen zwischen Fiskal- und Geldpolitik und die mittel- und langfristigen Konsequenzen etwa mit Blick auf die Preis- und Finanzstabilität. Im Kampf gegen die durch die Corona-Pandemie ausgelöste Jahrhundertrezession haben alle wichtigen Zentralbanken zu beispiellosen Maßnahmen gegriffen. Ein zentrales Instrument waren Staatsanleihekäufe, die auch dazu beitragen sollen, die Finanzierungskosten der Staaten trotz stark steigender Verschuldung niedrig zu halten.Auch die Europäische Zentralbank (EZB) greift in großem Stil zu Staatsanleihekäufen. Mitte März hatte sie sogar eigens das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) aufgelegt, das sie inzwischen auf ein Gesamtvolumen von 1,35 Bill. Euro bis Mitte 2021 aufgestockt hat. Die EZB zielt dabei auch unverblümt darauf, einzelne Krisenländer wie Italien vor dem finanziellen Kollaps zu bewahren. Kritiker argumentieren, sie betreibe damit monetäre Staatsfinanzierung, die ihr laut EU-Vertrag verboten ist.Die BIZ kommt nun grundsätzlich zu dem Schluss, dass die in der Krise ergriffenen geldpolitischen Maßnahmen angemessen gewesen seien. In der Krise hätten Regierungen und Notenbanken zudem ein gleichgerichtetes Interesse, und die Zusammenarbeit sei richtig gewesen. Die Maßnahmen der Zentralbanken stellten auch keine direkte Finanzierung der Regierungen dar. Die generelle Situation könne sich aber ändern, wenn die Inflation anziehe – und letztlich werde die Inflation “irgendwann zurückkommen”, so die BIZ. Dann werde es “äußerst wichtig sein, dieser Entwicklung zuvorzukommen”, sagte BIZ-Chef Agustín Carstens bei der Vorlage des Berichts.Die Regierungen könnten sich dann aber gegen steigende Leitzinsen oder andere geldpolitische Straffungen stemmen. “Ohne eine wirksame Haushaltskonsolidierung und wachstumsorientierte Strukturreformen können hohe Schuldenlasten Druck auf die Geldpolitik ausüben, die Zinsen niedrig zu halten”, heißt es im BIZ-Bericht. So könne gar versucht werden, den realen Wert der Staatsschulden durch Inflation – “möglicherweise noch unterstützt durch irgendeine Art der finanziellen Repression” – zu reduzieren, wie es Carstens formulierte.Die BIZ zieht in dem Zusammenhang sogar eine Parallele zu der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie damals könne es infolge der Pandemie einen grundlegenden Wandel im politischen Regime geben – gekennzeichnet etwa durch stark erhöhte Staatsschulden, einen großen Einfluss des Staates auf die Wirtschaft und einen Rückschritt bei der Globalisierung. Das wirke tendenziell alles inflationär. “Zu diesem Zeitpunkt wäre es von entscheidender Bedeutung, dass die Zentralbanken in der Lage sein sollten, unabhängig zu operieren, um ihrem Mandat nachzukommen und so dem möglichen Druck zu widerstehen, die Zinssätze nicht zu erhöhen”, so die BIZ.Mit Blick auf die Coronakrise befürchtet die BIZ, dass es selbst bei einem Ausbleiben einer zweiten Infektionswelle ein langer Weg aus der Rezession wird. “Der Anstieg aus den Tiefen der Rezession könnte langwierig sein”, heißt es in dem Bericht. So würden die Konsumausgaben durch eine anhaltende Unsicherheit der Verbraucher gebremst. Darüber hinaus dürften laut BIZ viele Unternehmen wegen der Corona-Vorsichtsmaßnahmen weiterhin nicht mit der vollen Auslastung arbeiten – selbst wenn die Weltwirtschaft von neuen Ansteckungswellen verschont bleiben sollte. Fokus auf FirmenpleitenBesonders warnt die BIZ auch vor weltweit steigenden Firmenpleiten im Zuge der Krise. Zunächst habe der Stillstand der globalen Wirtschaft vor allem zu Liquiditätsproblemen geführt. Jetzt aber gehe es zunehmend um Solvenzthemen, also um die Überlebensfähigkeit und die Geschäftsmodelle vieler Unternehmen. Inzwischen sei eine Welle von Herabstufungen angelaufen. Da sei die Politik gefragt, angemessen und zielgerichtet zu helfen.