BIZ und IWF wollen Geldsystem revolutionieren
Die Zentralbank der Zentralbanken BIZ und der Internationale Währungsfonds (IWF) befeuern die Debatte über die Zukunft des Geld- und Finanzsystems und die Einführung digitalen Zentralbankgelds (Central Bank Digital Currency, CBDC). Die beiden Institutionen veröffentlichten jetzt unabhängig voneinander Berichte, die radikale Änderungen in der Finanzarchitektur vorschlagen – wobei digitalem Zentralbankgeld jeweils eine entscheidende Bedeutung zukommt. Die BIZ sieht ihren Vorschlag sogar als „Gamechanger“, der nahezu unbegrenzte Möglichkeiten eröffne.
Weltweit machen sich Politiker, Zentralbanker, Regulierer und Marktakteure Gedanken über die Zukunft des Geldes. Hintergrund ist die rasante Digitalisierung, die durch die Corona-Pandemie noch einen Schub bekommen hat. Eine Rolle spielt zudem der Aufstieg vieler Kryptoassets, die teilweise das staatliche Geldmonopol in Zweifel ziehen. Immer mehr Zentralbanken beschäftigen sich mit der Einführung digitalen Zentralbankgelds und einige haben es bereits eingeführt. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) steuert auf einen digitalen Euro zu. Einige Beobachter und auch manche Notenbanker zweifeln aber am Nutzen und warnen vor Risiken für das Finanzsystem.
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) untermauerte nun in einem am Dienstag vorab veröffentlichten Kapitel aus ihrem neuen Jahreswirtschaftsbericht ihren Vorschlag für eine neue Finanzinfrastruktur, in deren Mittelpunkt eine Art einheitliche, programmierbare Plattform („unified ledger“) in öffentlich-privater Partnerschaft steht, die tokenisierte Formen von CBDC mit tokenisierten Bankeinlagen und anderen Assets kombiniert. Diesen Vorschlag hatte BIZ-Chef Agustín Carstens bereits im Februar in Grundzügen skizziert.
Laut BIZ geht es darum, all diese Finanztechnologien zusammenzubringen, um deren Potenzial voll auszuschöpfen. „Die Zusammenführung von Zentralbankgeld, kommerziellem Geld und verschiedenen Vermögenswerten auf ein und derselben Plattform, die alle mit Token versehen sind und miteinander interagieren, eröffnet eine ganze Reihe neuer Möglichkeiten. Dies würde die Art und Weise, wie wir über Geld denken und wie Transaktionen stattfinden, grundlegend verändern“, sagte Hyun Song Shin, volkswirtschaftlicher Berater und Leiter Wirtschaftsforschung der BIZ.
Zahlreiche Möglichkeiten
Beispiele für mögliche Innovationen sind laut BIZ: neue Methoden für die Wertpapierabwicklung, die alle Einzelschritte zu einer einzigen nahtlosen Transaktion zusammenfassen; tokenisierte Einlagen mit eingebauten aufsichtsrechtlichen Prüfungen, die gleichzeitig in Wholesale-CBDC abgewickelt werden; Smart-Contract-fähige Kredite, die die Kosten der Handelsfinanzierung für kleinere Unternehmen reduzieren und die globalen Lieferketten verbessern; verbesserter Austausch von Daten über potenzielle Kreditnehmer unter Verwendung von Technologien zum Schutz der Privatsphäre, um den Zugang zu Krediten für benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu verbessern. „Der Nutzen wird nur durch den Einfallsreichtum der öffentlichen und privaten Partner begrenzt, die die auf der Plattform innovativ tätig sind“, sagte Shin.
Die BIZ sieht wesentliche Pfeiler der vorgeschlagenen Infrastruktur bereits in Arbeit oder sogar existent. Es gehe darum, diese zusammenzuführen. Kritiker wenden ein, dass die aktuellen CBDC-Bestrebungen vieler Zentralbanken eher auf digitales Zentralbankgeld für jedermann hinausliefen und weniger auf eine Wholesale-Variante, die weitestgehend auf den Kreis der Banken und heutigen Geschäftspartner der Notenbanken beschränkt bliebe. Zudem gibt es Zweifel, ob in der zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft die von der BIZ geforderte gemeinsame Anstrengung realisierbar ist.
Die ökonomische Fragmentierung hat auch der IWF bei seinen Überlegungen zur Zukunft des Geld- und Finanzsystems im Blick – mit dem Ziel, diese zu überwinden oder zumindest nicht weiter zunehmen zu lassen. In einem am Mittwoch veröffentlichten Diskussionspapier skizziert der Fonds den Entwurf für eine neue Klasse von Plattformen, „die Interoperabilität, Effizienz und Sicherheit für den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr sowie für die inländischen Finanzmärkte bringen sollen“. Diese Infrastruktur umfasst ebenfalls ein einheitliches Register für die Abwicklung und ein sicheres Abwicklungsinstrument sowie Programmierstandards und Informationsmanagementfunktionen, die die Verschlüsselung nutzen.
Dem IWF geht es letztlich um die Erweiterung der Vision von öffentlichen Gütern im Zahlungsverkehr von der reinen Abrechnung, wie sie bisher praktiziert wurde, auf die Programmierung und das Informationsmanagement. Mit Blick auf die Arbeiten der Zentralbanken an digitalem Zentralbankgeld sagte IWF-Chefin Kristalina Georgiewa bei einer Konferenz in Marokko, es gehe in Zeiten zunehmender geoökonomischer Fragmentierung darum, die Entstehung von Abwicklungsblöcken zu vermeiden.