NOTIERT IN LONDON

Black History Month

Vor mehr als einem Jahrhundert wurde John Archer in Battersea zum ersten schwarzen Bezirksbürgermeister Londons gewählt. In seiner Rede nach dem Sieg sagte er 1913, durch seine Wahl habe der Stadtteil gezeigt, "dass er keine rassischen Vorurteile...

Black History Month

Vor mehr als einem Jahrhundert wurde John Archer in Battersea zum ersten schwarzen Bezirksbürgermeister Londons gewählt. In seiner Rede nach dem Sieg sagte er 1913, durch seine Wahl habe der Stadtteil gezeigt, “dass er keine rassischen Vorurteile hat und dass er einen Mann für die Arbeit anerkennt, die er geleistet hat”. Das sei der Beginn einer neuen Ära. Archers Vater stammte aus Barbados, seine Mutter war eine katholische Irin. Er setzte sich für einen Mindestlohn für Gemeindeangestellte ein und wurde schließlich der erste Präsident der African Progress Union und nahm 1919 als britischer Delegierter am panafrikanischen Kongress in Paris teil.Später gab er sein Amt auf, um die Kandidatur von Shapurji Dorabji Saklatvala für das britische Unterhaus zu unterstützen. Der in Bombay geborene Sozialist errang 1924 das Mandat für den Wahlkreis Battersea North. Saklatvala war damals bereits der vierte Abgeordnete indischer Abstammung. Nun soll Archer ein Denkmal gesetzt werden. Die Bezirksverwaltung von Wandsworth sammelt dafür. Eine Straße wurde bereits nach ihm benannt. An dem Haus mit der Nummer 214 in der Battersea Park Road, in dem er einst lebte, weist eine blaue Plakette auf den ehemaligen Bewohner hin. Die Royal Mail widmete ihm 2013 eine Sonderbriefmarke. Bereits ein Jahrzehnt vor Archers Triumph zog Allan Glaisyer Minns in den Stadtrat von Thetford in Norfolk ein. 1904 wurde der Arzt, der auf den Bahamas geboren wurde, zum Bezirksbürgermeister gewählt.All das sind bemerkenswertere Teile der britischen Geschichte, die zeigen, dass es sich bei Großbritannien eben nicht um ein zutiefst rassistisches Land handelt, dessen Wohlstand ausschließlich auf der Sklaverei und der kolonialistischen Ausbeutung der Länder des globalen Südens beruht. Umso erstaunlicher ist, wenn Lehrer im “Black History Month” für ihre Schüler Videokonferenzen mit antikapitalistischen Aktivisten von Black Lives Matter (BLM) aus den Vereinigten Staaten organisieren. Manche Kinder hatten wohl den Eindruck, dass in den restlichen elf Monaten nur weiße Geschichte gelehrt wird. Die für Gleichberechtigungsfragen zuständige britische Unterstaatssekretärin Olukemi Olufunto Badenoch wandte sich nun im Unterhaus gegen den Einzug der toxischen Critical Race Theory in die Schulen – “einer Ideologie, die mein Schwarzsein als Opferstatus und ihr Weißsein als Unterdrückung sieht”. Die Regierung wolle nicht, dass Kinder über “das Privileg, weiß zu sein, und rassische Erbschuld” unterrichtet werden. “Jede Schule, die diese Elemente politischer Rassentheorie als Tatsachen darstellt oder parteipolitische Ansichten wie die Forderung nach dem Entzug der Finanzierung der Polizei propagiert, ohne gegenläufige Ansichten ausgewogen darzustellen, verstößt gegen das Gesetz”, sagte die Nachfahrin nigerianischer Einwanderer.Sie wandte sich zudem gegen Forderungen nach “Dekolonialisierung” der Lehrpläne. “Wir sollten uns nicht dafür entschuldigen, dass britische Kinder in erster Linie die Geschichte dieser Inseln lernen”, sagte Badenoch. “Die jüngste Mode, Mathematik zu dekolonialisieren, Ingenieur- und Naturwissenschaften zu dekolonialisieren, die wir an unseren Universitäten gesehen haben und die Rasse zum definierenden Prinzip dessen macht, was studiert wird, ist nicht nur fehlgeleitet, sondern steht dem grundsätzlichen Zweck von Bildung aktiv entgegen.” Ihr schlug prompt der gleiche Hass entgegen wie den schwarzen Polizisten, die bei den BLM-Demonstrationen eingesetzt wurden. Eine kleine Übersicht dazu bieten die Kommentare auf der Facebook-Seite der Labour-Abgeordneten Dawn Butler. Vermutlich hätten die Verfasser auch Archer, Minns oder Saklatvala als “Kokosnuss”, “Bounty” oder “Oreo” – außen schwarz und innen weiß – beschimpft. Auch Sajid Javid wurde als Schatzkanzler mit ähnlichen Spitznamen belegt. Ihre tiefsten Abgründe offenbarten Badenochs Gegner jedoch in der Unterstellung, sie habe lediglich abgelesen, was ihre weißen Parteibosse formuliert hätten. Es ist schon absonderlich, wenn ausgerechnet Menschen, die sich für links halten, der Meinung sind, dass das Blut oder die Hautfarbe das Denken bestimmt. Man kann nur all diejenigen bewundern, die sich gegen die ihnen zugedachte Opferrolle wehren.