Blick auf Risiken von Rettungshilfen

Wirtschaftswissenschaftler unterstreichen Gefahr des Moral Hazard

Blick auf Risiken von Rettungshilfen

sck München – Auf einer Fachtagung des Münchener Ifo-Instituts haben Wirtschaftswissenschaftler kontrovers über den Nutzen von milliardenschweren Rettungshilfen für angeschlagene Staaten und Banken diskutiert. Dabei stellte sich als einhellige Meinung heraus, dass solche Maßnahmen mit hohen Risiken verbunden sind. Mehrere Teilnehmer sprachen vor allem das Problem des Moral Hazard, der volkswirtschaftlichen Kosten und der Glaubwürdigkeit solcher Maßnahmen an.Lev Ratnovski vom Internationalen Währungsfonds sagte, dass westliche Regierungen zwar Bail-outs grundsätzlich ablehnen, in der Krise aber ihre ordnungspolitischen Überzeugungen schnell über Bord werfen. Sie würden die Rettungsmaßnahmen dann doch als Notlösung anwenden. Diesen Widerspruch bezeichnete er als “game of chicken”, was sich negativ auf die Erwartungshaltung am Markt auswirke. Ratnovski, der im Allgemeinen Bail-outs als Notnagel befürwortete, räumte aber ein, dass vor allem die Moral-Hazard-Problematik die Wirkung solcher Schritte beeinträchtigen könne. Er sprach sich deshalb dafür aus, die Hilfen zu dosieren, um dieses Risiko zu begrenzen.Moral Hazard ergibt sich, wenn Banken aufgrund ihrer systemischen Relevanz darauf bauen können, dass der Staat sie in einer existenzbedrohlichen Lage heraushaut (“too big to fail”). Solche Institute neigen dazu, weiterhin hochriskante Geschäfte einzugehen und damit zur Krisenanfälligkeit beizutragen. Ähnlich verhält es sich bei hochverschuldeten Staaten. Die Gefahr ist groß, dass diese bei ihren Sparanstrengungen nachlassen, sobald sie von anderen Ländern gestützt werden.Vor diesem Hintergrund meinte Robert Hauswald von der American University, dass Selbstverpflichtungen von Staaten (wie zum Beispiel Deutschland) leichter durchsetzbar seien als Selbstverpflichtungen von Bail-out-Fonds wie dem ESM-Rettungsschirm. Insbesondere beim umstrittenen ESM stellte er die Frage nach der Glaubwürdigkeit eines solchen Hilfsmechanismus für krisengeschüttelte Euro-Staaten. Am Mittwoch hatte das Bundesverfassungsgericht den ESM als dauerhafte Einrichtung akzeptiert, aber auf die Haftungsobergrenze für Deutschland von 190 Mrd. Euro gepocht.Viral Acharya von der New York University hob ebenfalls die Gefahr des Moral Hazard auf der Ebene von Staaten hervor. Seiner Meinung nach reduzieren Regierungen die Sanierungsmaßnahmen für öffentliche Haushalte, sobald andere Länder für diese finanziell einspringen. Die Geberländer verhielten sich wie ein “lender of last resort”.Allerdings räumten die Teilnehmer ein, dass es in einer Krise wegen des Handlungsdrucks kaum Alternativen gebe. Die Gefahr sei groß, dass andere Staaten mit hineingerissen würden. Daher könnten die volkswirtschaftlichen Kosten eines Nichtstuns weitaus höher ausfallen.