Boris Johnson unter Druck

Gina Miller will Prorogation mit juristischen Mitteln verhindern - Jeremy Corbyn verhindert Neuwahl

Boris Johnson unter Druck

Boris Johnson hat an mehreren Fronten zu kämpfen: Das Unterhaus versperrte dem britischen Premierminister den Weg zu Neuwahlen. Sein Bruder Jo trat von seinem Regierungsamt zurück. Und Gina Miller will ihm gerichtlich untersagen lassen, das Parlament in eine verlängerte Sommerpause zu schicken.hip London – Der britische Premierminister Boris Johnson wird am Montag erneut versuchen, Neuwahlen einzuleiten. Es werde erneut abgestimmt, bestätigte Jacob Rees-Mogg, der als Leader of the House of Commons die Geschäfte der Regierung im Unterhaus wahrnimmt. Am Mittwochabend hatten sich die Abgeordneten von Labour auf Weisung von Parteichef Jeremy Corbyn enthalten. Es sprachen sich am Ende lediglich 298 für einen entsprechenden Antrag Johnsons aus. Damit verfehlte die Regierung die für einen solchen Schritt erforderliche Zweidrittelmehrheit.Corbyn hatte in den vergangenen Jahren immer wieder Neuwahlen gefordert. Johnson warf ihm vor, Angst vor dem Resultat zu haben. Wenn vor Ende kommender Woche keine Entscheidung fällt, wird es nach derzeitigem Stand vor dem Ende der Austrittsfrist am 31. Oktober keine Neuwahl geben. “Betrug unter Brüdern”Sein Bruder Jo trat unterdessen von seinem Regierungsamt zurück. Er war als Staatssekretär für die Universitäten und das Thema Wissenschaft verantwortlich. “In den vergangenen Wochen war ich zwischen Loyalität zur Familie und dem nationalen Interesse hin- und hergerissen”, ließ er wissen. Der Konflikt sei unauflösbar. Deshalb sei es Zeit, dass andere an seine Stelle träten. Angeblich soll ihn Johnson in einem nächtlichen Telefonat erfolglos gedrängt haben, zu bleiben. Selbst seine engsten Berater habe er nicht darüber informiert. Als sich David und Ed Miliband vor neun Jahren eine erbitterte Schlacht um die Labour-Führung lieferten, hatte Boris erklärt, so etwas gebe es nur unter Linken. “Nur ein Sozialist könnte seinem Bruder so etwas antun”, sagte er damals. “Nur ein Sozialist könnte familiäre Bindungen für so trivial halten.””Boris wird in den ihm bekannten Klassikern lange suchen müssen, um einen derartigen Betrug unter Brüdern zu finden”, twitterte Gordon Rayner, Political Editor beim konservativen “Telegraph”. “Vielleicht muss er nach dem Buch Genesis und der Geschichte von Kain und Abel greifen.” Laura Kuenssberg von der BBC sprach von “unglaublichem Timing”. Jo soll über den Ausschluss von 21 Brexit-Gegnern aus der Fraktion empört gewesen sein. Der vom ehemaligen Schatzkanzler George Osborne geführte “Evening Standard” titelte: “Desaster für Boris”. Auch in der Fraktion regte sich Widerstand gegen den Hinauswurf prominenter Johnson-Gegner. “Wir können ohne breite Basis, die alle Meinungen widerspiegelt, nicht gewinnen”, twitterte Simon Hoare, der Vorsitzende des Nordirlandausschusses des Unterhauses. Es sei besser, wie Churchill zu sein, nicht wie Stalin. Damian Green wies darauf hin, dass der ehemalige Justizminister David Gauke nur einmal gegen die Regierung rebelliert habe, Rees-Mogg dagegen 100-mal. Es sehe so aus, als setze Johnson einen Plan zum Umbau der konservativen Partei in die Tat um. Caroline Spelman, die in der letzten Abstimmung ebenfalls gegen die Regierung gestimmt hatte, dafür aber von der Parteiführung nicht belangt wurde, kündigte an, bei der nächsten Wahl nicht mehr anzutreten. Politik versus GerichtUnterdessen hatte die Investmentmanagerin Gina Miller, die gegen das Brexit-Vorgehen der Regierung May geklagt und gewonnen hatte (vgl. BZ vom 25.1.2017), einen weiteren großen Auftritt vor Gericht. Die als “Schwarze Witwe” diffamierte dunkelhäutige Brexit-Gegnerin will die von Johnson angekündigte “Prorogation” für unrechtmäßig erklären lassen. Dabei handelt es sich um eine vorzeitige Beendung der Sitzungsperiode durch ein Machtwort der Queen. Das Prinzip der parlamentarischen Souveränität werde dadurch verletzt, argumentierte ihr Anwalt vor dem Londoner High Court. Eine fünfwöchige Aussetzung sei außerordentlich lang. Der ehemalige Premierminister John Major hatte sich ihrer Klage nachträglich angeschlossen. Die Anwälte der Regierung argumentierten, es handele sich um keine rechtliche, sondern um eine politische Angelegenheit. Ein ähnliches Verfahren, das Abgeordnete am Court of Session in Edinburgh angestrengt hatten, wurde mit dieser Begründung niedergeschlagen. Es sei Sache des Parlaments und der Wähler, nicht der Gerichte, die Handlungen des Premierministers zu bewerten, sagte der zuständige Richter Raymond Doherty.Die Liberaldemokraten durften sich nach dem Wechsel des konservativen Abgeordneten Phillip Lee über ein weiteres neues Unterhausmitglied freuen. Die ehemalige Labour-Abgeordnete Luciana Berger, die zuletzt bei Change UK für Innenpolitik und andere Themen verantwortlich zeichnete, folgte ihrem ehemaligen Fraktionskollegen Chuka Umunna in die erklärte Anti-Brexit-Partei.Highlight des Tages dürfte für Johnson ein Treffen mit dem US-Vizepräsidenten Mike Pence in der Downing Street gewesen sein. Ihm zufolge könnte ein Freihandelsabkommen das bilaterale Handelsvolumen verdreifachen, wenn nicht gar vervierfachen.