"Börsensteuer belastet Altersvorsorge"

Hohe Umschlaghäufigkeit institutioneller Investoren führt zu Renditeeinbußen - Empirische Studie

"Börsensteuer belastet Altersvorsorge"

Die private Altervorsorge wird von einer Finanztransaktionssteuer mit Renditeeinbußen bis zu 5,5 % hart getroffen. Dies hat der Münchner Kapitalmarkforscher Christoph Kaserer in einer empirischen Studie ermittelt.wf Berlin – Die Finanztransaktionssteuer lastet schwerer auf der privaten Altersvorsorge als bisher angenommen. Bei einem Steuersatz von 0,1 % auf das Transaktionsvolumen – wie von der EU-Kommission ins Auge gefasst – kommt es bei der privaten Rente zu Einbußen von 2,5 % bis 5,5 %. Dies hat Kapitalmarktexperte Christoph Kaserer von der TU München in einer empirischen Studie zu den “Wirkungen und Nebenwirkungen” der Steuer auf die Altersvorsorge ermittelt. “Allein bei Lebensversicherungsverträgen wären die Einbußen voraussichtlich höher als die vom Staat verteilten Zulagen im Rahmen der Riester-Rente”, heißt es in der Studie, die der Börsen-Zeitung vorliegt. Auftraggeber ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Aktive AnlagestrategieVielfach wurde argumentiert, die Einführung einer Finanztransaktionssteuer habe nur einen geringen Effekt auf die Altersvorsorge. Dem lag die Annahme zugrunde, dass die typischerweise für die Altersvorsorge eingesetzten Anlagevehikel – Versicherungen, Pensionsfonds oder Investmentfonds – ihre Portfolios nur selten umschlagen und eher eine Buy-and-hold-Strategie verfolgen. Die empirische Untersuchung Kaserers widerlegt dies. Danach liegt die durchschnittliche jährliche Umschlaghäufigkeit von in Deutschland ansässigen Versicherungen, Pensionsfonds oder Investmentfonds zwischen 40 % und 80 %. Unterstellt man eine Ansparphase von 40 Jahren, eine Auszahlungsphase im Rentenalter von 20 Jahren und eine Rendite von 5 %, kommt es zu den genannten Einbußen.Kaserer zufolge wächst der Anteil der gesamtwirtschaftlichen Ersparnisse, der von institutionellen Investoren verwaltet wird. In vielen Fällen habe dies steuerliche oder rechtliche Gründe. Damit können diese Anleger dem negativen Effekt der Finanztransaktionssteuer nicht entgehen.Der empirische Befund zeigt die Umschlaghäufigkeit im internationalen Vergleich von Investmentfonds einerseits sowie der Gruppe der Investmentmanager andererseits, die Pensionsfonds, Lebensversicherungen, Stiftungen, Staatsfonds und ähnliche Investoren umfasst. Bei den Fonds lag die durchschnittliche Umschlaghäufigkeit 2011 zwischen 23 % (Tschechien) und 114 % (Ungarn). In Deutschland lag sie bei 80 %. Damit schlägt der durchschnittliche Fonds sein Vermögen in fünf Jahren viermal um. Bei der Gruppe der Investment Manager war die Bandbreite etwas geringer. Sie lag zwischen 15 % (Griechenland) und 76 % (Deutschland). Die Annahme einer Buy-and-hold-Strategie ist Kaserer zufolge damit besonders mit Blick auf Investmentfonds “naiv”.Hintergrund der Studie ist die Entscheidung einer Gruppe von EU-Staaten – darunter Deutschland -, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen. Erfasst werden sollen nach den Plänen Brüssels alle Finanztransaktionen, an denen ein Finanzinstitut mit Sitz in der EU beteiligt ist. Der Steuersatz soll bei mindestens 0,1 % des Transaktionsvolumens liegen. Bei Derivatekontrakten sind es mindestens 0,01 % des Nominalbetrags. Sind zwei Finanzinstitute beteiligt, verdoppelt sich die Steuer. Der Begriff des Finanzinstituts erstreckt sich über Kreditinstitute und Wertpapierfirmen hinaus auf Versicherungen, Pensionsfonds und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge, Kapitalanlagegesellschaften, alternative Investmentfonds sowie bestimmte Zweckgesellschaften.”Die Finanztransaktionssteuer ist eine Mogelpackung”, wertet INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr das Ergebnis der Studie. Sie belaste alle Anleger – etwa bei der privaten Altersvorsorge – in hohem Maße, ersetze aber nicht die notwendige Regulierung der Finanzmärkte. Um Banken und Versicherer an den Krisenkosten zu beteiligen, sollten die Staatshilfen sobald wie möglich marktgerecht verzinst zurückgezahlt werden, verlangte Pellengahr. Marktinformation leidetKaserer verweist auf einen weiteren Effekt: Die Finanztransaktionssteuer benachteilige aktive Anlagestrategien im Vergleich zu passiven Strategien. Deshalb werde es zu Umschichtungen hin zu passiv verwalteten Fonds kommen. Die Steuer “bestrafe” damit die gesellschaftlich gewünschte Informationsauswertung. Neben dem Vermögenseffekt komme es zu einem Verdrängungseffekt. Darunter werde die Informationsverarbeitung auf den Kapitalmärkten leiden, erwartet Kaserer.