EUROPA HAT DIE WAHL - IM GESPRÄCH: CHRISTIAN OSSIG

"Brauchen einheitlichen Finanzbinnenmarkt"

Bankenverband BdB fordert mehr Harmonisierung

"Brauchen einheitlichen Finanzbinnenmarkt"

Von Andreas Heitker, BrüsselDie Europäische Union benötigt nach Einschätzung des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) auch im Finanzsektor eine deutlich stärkere Harmonisierung von Regeln. “Wir brauchen einen einheitlichen Finanzbinnenmarkt in Europa”, betonte Hauptgeschäftsführer Christian Ossig im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Es gebe hier noch einen großen Handlungsbedarf. “Wir hoffen, dass die neue EU-Kommission das Thema zu einem ihrer Schwerpunkte macht.”Der Bankenverband will in den Wochen und Monaten nach der Europawahl verstärkt dafür werben, den – wie Ossig sagt – “historisch gewachsenen Flickenteppich an nationalen Märkten in Europa” zu beenden. In den vergangenen Jahren habe es zwar Fortschritte gegeben, betont der 48-Jährige. Diese reichten aber bei weitem nicht aus. “Die Juncker-Kommission hat nicht immer die richtigen Prioritäten gesetzt.” Digitalisierung als TreiberBei künftigen Gesetzgebungen soll nach dem Willen des BdB von Anfang an darauf geachtet werden, dass ein Level Playing Field geschaffen wird. Eine stärkere Harmonisierung, die nach Einschätzung des Verbands auch privatrechtliche Vorschriften und Insolvenzregeln mit einbeziehen sollte, könnte es zum einen für Verbraucher einfacher machen, Bankdienstleistungen aus anderen EU-Ländern zu beziehen. Zudem würden die Finanzierungsmöglichkeiten für die europäischen Unternehmen verbessert, und Banken könnten viel effizienter ihre Produkte in ganz Europa anbieten, sagt Ossig. “Damit würden sie auch an Ertragskraft hinzugewinnen.”Deutsche Institute müssen beim Abbau von grenzüberschreitenden Barrieren zwar auch auf ihrem Heimatmarkt mit einem zusätzlichen Wettbewerb rechnen. Ossig glaubt aber nicht, dass die Banken diesen zu fürchten haben. “Sie haben hier immer noch ihre Standortvorteile, zum Beispiel beim Zugang zum Funding”, sagt er. “Die volle Stärke von deutschen Banken in einem integrierten Markt käme ganz anders zum Tragen als heute.”Ossig, der vor seiner Zeit im BdB unter anderem in Frankfurt neun Jahre für die Royal Bank of Scotland und die Bank of America gearbeitet hatte, sieht vor allem in der weiteren Digitalisierung einen Treiber für stärkere Harmonisierung. Landesgrenzen spielten immer weniger eine Rolle, betont er. “Trotzdem ist es heute in der EU noch kaum möglich, grenzüberschreitend paneuropäische Bankprodukte anzubieten.” Noch nicht einmal bei der Neugewinnung von Kunden gebe es derzeit in Europa standardisierte Regeln. Hinzu kämen die unterschiedlichen nationalen Umsetzungen von EU-Regeln. Und plötzlich würden dann auch Begriffe wie “Kreditgeschäft” oder “Loan to Value” in verschiedenen Ländern auch verschieden definiert. Waiver setzen Kapital freiFür den Bankenverband ist in diesem Zusammenhang auch von zentraler Bedeutung, dass die Schaffung von grenzüberschreitenden Eigenkapital- und Liquiditätswaivern noch einmal angegangen wird. Dies war auch beim jüngsten Bankenpaket schon ein Thema gewesen, war aber vor allem am Widerstand kleinerer EU-Staaten vorerst gescheitert. “Pan-europäischen Banken muss es möglich sein, ihr Eigenkapital oder auch die Großkreditsteuerung zentral auf Gruppenebene zu organisieren”, betont Ossig in dem Gespräch.Die heutigen zusätzlichen Anforderungen auf nationaler Ebene bänden nur Kapital. “Durch die Einführung von Waiver würden mehrere Milliarden Euro an Kapital und Liquidität frei gesetzt, die dann wieder in die Finanzierung der europäischen Wirtschaft fließen könnten.”