Brexit lastet auf britischer Wirtschaft

Schwaches Wachstum im zweiten Quartal - Zuwanderung geht deutlich zurück

Brexit lastet auf britischer Wirtschaft

Die Folgen des Brexit-Votums trüben die Kauflaune der Briten und erweisen sich als Bremse für die Wirtschaft. Auch die Zahl der Zuwanderer sinkt deutlich. Währenddessen bleibt der Brexit-Kurs der britischen Regierung weiter unklar. jw Frankfurt – Das britische Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist zwischen April und Juni um 0,3 % gewachsen, wie das nationale Statistikamt ONS gestern mitteilte. Die erste Schätzung wurde bestätigt. Die Verbraucher steigerten ihre Ausgaben nur noch um 0,1 %. So gering war das Plus seit Ende vorigen Jahres nicht mehr. Neben der Zurückhaltung der Konsumenten trugen auch stagnierende Investitionen der Firmen und eine Flaute am Bau zur schwachen Konjunktur bei. Der Dienstleistungssektor legte hingegen leicht zu. Die britische Wirtschaft wächst somit langsamer als die der Eurozone. Zu Jahresbeginn war das BIP-Wachstum auf der Insel mit 0,2 % allerdings noch schwächer ausgefallen.Den Briten macht vor allem die nach dem Anti-EU-Votum anziehende Inflation zu schaffen, weil die Lohnzuwächse geringer als die Teuerungsrate ausfallen. Dies bekommen auch die Einzelhändler zu spüren: Einer Umfrage des Industrieverbands CBI zufolge berichteten im August nur 34 % der Befragten von steigenden Umsätzen im Vergleich zum Vorjahr. 44 % hatten hingegen weniger in der Kasse. Der entsprechende Saldo lag bei minus 10 Punkten und damit so niedrig wie seit Juli 2016 nicht mehr.Die Ratingagentur Moody’s sieht die Eintrübung am britischen Häusermarkt und beim Konsum als Hauptrisiko für die britische Wirtschaft. Die Ratingagentur Scope hatte zuletzt ihr Länder-Rating für Großbritannien auf der zweithöchsten Stufe “AA” belassen, jedoch den Ausblick auf negativ gesetzt. Laut Scope-Manager Giacomo Barisone hat die Brexit-Entscheidung, “erhebliche Unsicherheit” mit Blick auf die zukünftigen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit Brüssel ausgelöst: “Diese hat das Potenzial, die Attraktivität Großbritanniens für internationale Investoren und den gesamten Finanzsektor nachhaltig zu beschädigen.” Scope rechnet aufgrund der hohen Kosten eines harten Brexit damit, dass die Verhandlungen auf einen weichen Brexit hinauslaufen. Dabei würde Großbritannien den Zugang zum EU-Binnenmarkt ganz oder teilweise behalten und von Übergangsregelungen profitieren. Allerdings müsste London laut Scope dafür Zugeständnisse machen, etwa bei der Personenfreizügigkeit.Schon jetzt wirft der Brexit bei der Zuwanderung offenbar seinen Schatten voraus. Nach dem Anti-EU-Votum wanderten weniger Bürger aus anderen EU-Staaten nach Großbritannien ein und mehr von ihnen verließen das Land. Im Zeitraum von März 2016 bis März 2017 sank die Zahl der Einwanderer um 81 000 auf 246 000. Das ist der niedrigste Wert seit drei Jahren. 33 000 EU-Ausländer verließen in den zwölf Monaten das Vereinigte Königreich und damit so viele wie seit etwa zehn Jahren nicht mehr. Zugleich ließen sich weniger EU-Bürger als im Vorjahr im Land nieder. Von den EU-Ausländern haben den Statistikern zufolge insbesondere Bürger aus den EU-8-Staaten dem Vereinigten Königreich den Rücken gekehrt. Dazu zählen die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Litauen, Lettland, Polen, Slowenien und die Slowakei.Die Zahlen deuten nach Angaben der ONS-Expertin Nicola White darauf hin, dass das Brexit-Referendum für den Rückgang verantwortlich sein könnte. Unklar sei, ob es sich um einen langfristigen Effekt handele. Die Rechte der EU-Bürger nach dem Brexit sind noch weitgehend unklar. Bei dem Referendum über den Austritt aus der EU im Juni 2016 spielte die Einwanderung eine große Rolle. London will durch die Scheidung von der EU die Einwanderung von EU-Ausländern beschränken. Dritte VerhandlungsrundeAm Montag gehen die Gespräche Großbritanniens mit der EU in ihre dritte Verhandlungsrunde. Allerdings scheint im britischen Kabinett nach wie vor kein echter Konsens über den Brexit-Kurs zu herrschen. Zuletzt gab sich die Regierung in einer Reihe von Positionspapieren kompromissbereit. Sie sei bereit dazu, sich während einer Übergangsphase nach dem EU-Austritt zunächst weiter der Rechtsprechung des EuGH zu unterwerfen. Auch beim Datenschutz wollen die Briten enger mit der EU zusammenarbeiten. Außerdem will die Regierung nach dem Austritt ein zeitlich begrenztes Zollabkommen mit der EU schließen. Unklarheit herrscht jedoch weiterhin über die Austrittsrechnung der Briten.