Brexit-Showdown im Parlament

No-Deal-Gegner wollen Aufschub bis Ende Januar - Johnson setzt innerparteiliche Gegner unter Druck

Brexit-Showdown im Parlament

Das britische Parlament nimmt den Kampf gegen den ungeregelten EU-Ausstieg auf. Premierminister Boris Johnson sagt, er werde Brüssel niemals um einen Aufschub bitten. Er dürfte Neuwahlen anstreben, wenn er im Unterhaus unterliegt. Am Dienstag kommt das Parlament wieder zusammen.bet London – Großbritannien steht vor entscheidenden Tagen im politischen Kampf um den Brexit. Wenn am heutigen Dienstag das Parlament zum ersten Mal nach der Sommerpause zusammentritt, werden jene Abgeordnete, die einen ungeregelten EU-Austritt Ende Oktober verhindern wollen, das Heft in die Hand nehmen. Die sogenannte “Rebellen-Allianz” stellte gestern eine Gesetzesinitiative vor, um Premierminister Boris Johnson zu zwingen, die EU um eine Verschiebung des Austritts zu bitten. Falls bis zum 19. Oktober keine Einigung mit Brüssel erzielt wird und es keine Mehrheit im Parlament für den No-Deal-Brexit gibt, soll der Regierungschef demnach um einen Aufschub bis zum 31. Januar 2020 ersuchen. Sollte die EU ein anderes Verlängerungsdatum wünschen, müsste Johnson es laut der Vorlage annehmen – es sei denn, das Parlament weist das Datum zurück.Johnson reagierte am Montagabend und rief die Abgeordneten der Konservativen Partei auf, gegen diese “sinnlose Verzögerung” zu stimmen. Die Chancen auf eine Einigung mit Brüssel und damit auf einen geregelten Austritt würden derzeit steigen, sagte der Regierungschef in einer Ansprache vor 10 Downing Street. Doch es sei sehr hinderlich, wenn die EU glaube, dass das Unterhaus den Brexit herauszögern und “das Referendumsergebnis für nichtig erklären” werde. “Unter keinen Umständen werde ich nach Brüssel gehen und um einen Aufschub bitten”, sagte Johnson mit Nachdruck.Hinter Johnsons Versprechen könnte eine Strategie versteckt sein, über die am Montag eifrig diskutiert wurde. Die Regierung beriet darüber bei einer kurzfristig einberufenen Kabinettssitzung. Johnsons Regierungsbündnis verfügt im Unterhaus über eine Mehrheit von nur einer Stimme. Informierte Kreise wollen wissen, dass der Premierminister im Unterhaus über die Abhaltung von Neuwahlen abstimmen lassen will, falls der Gesetzesvorstoß gegen den No-Deal-Brexit eine Mehrheit findet.In diesem Fall ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, um den Urnengang anzusetzen. Die Tories würden darauf spekulieren, dass die oppositionelle Labour-Partei so sehr an einer Chance zur Machtübernahme interessiert ist, dass sie dem Antrag zustimmt – vorausgesetzt, Johnson verspräche Neuwahlen vor Ende Oktober. Als Datum galt gestern der 14. Oktober. Im Gegensatz zu jenem Szenario, in dem die Opposition einen Misstrauensantrag initiiert und gewinnt, erhielte sie in diesem Fall aber keine Chance, vor einer Wahl selbst einen Regierungschef zu installieren. Johnson könnte derweil mit dem Versprechen, den Brexit um jeden Preis Ende Oktober durchzusetzen, in den Wahlkampf ziehen.Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte am Montag zum wiederholten Mal Neuwahlen. Stimmt Labour einem Regierungsantrag zu, könnte Premierminister Johnson den Urnengang allerdings mit administrativen Tricks auch in den November hinauszögern und in der Zwischenzeit den ungeregelten EU-Austritt geschehen lassen. Das würde der populistischen Brexit-Partei, die den Konservativen bereits empfindliche Wählerverluste zugefügt hat, die Existenzgrundlage entziehen und könnte den Tories einen Triumph bescheren. Der ehemalige Regierungschef Tony Blair warnte deshalb davor, in eine Falle von Johnson zu laufen und einer Wahl zuzustimmen, bevor der No-Deal-Brexit abgewendet ist.Vor dem Showdown im Unterhaus versucht die Regierung, ihre innerparteilichen Abweichler einzuschüchtern. Wie durchgesickert ist, droht Johnson allen Tory-Abgeordneten, die gegen den ungeregelten EU-Austritt stimmen, den Wiederantritt bei der nächsten Wahl zu verbieten. Der interne Druck ist beispiellos.Das Zeitfenster für die Oppositionsparteien wie auch für die konservativen Abgeordneten, die den No-Deal-Brexit zurückweisen, ist klein: Das Unterhaus wird nur bis spätestens Donnerstag in der kommenden Woche und dann erst wieder ab Mitte Oktober tagen, weil Johnson eine ungewöhnlich lange Sitzungspause durchgesetzt hat. Michael Gove, der stellvertretende Premierminister, suggerierte zudem, die Regierung könne eine Parlamentsentscheidung einfach ignorieren.