Brexit-Spitzengespräch ohne Impulse

EU-Führung und Johnson sind sich nur einig, dass "neuer Schwung" nötig ist - Abkommen 2020 bleibt Ziel

Brexit-Spitzengespräch ohne Impulse

Das Brexit-Spitzengespräch zwischen dem britischen Premier Boris Johnson und den Präsidenten von EU-Kommission, -Parlament und -Rat, Ursula von der Leyen, David Sassoli und Charles Michel, ist gestern ergebnislos zu Ende gegangen. Gleichwohl hält Johnson eine Einigung noch im Juli für möglich.ahe/hip Brüssel/London – Ein Brexit-Spitzengespräch zwischen der EU und Großbritannien ist gestern ohne greifbare Ergebnisse zu Ende gegangen. Der britische Premier Boris Johnson und die Präsidenten von EU-Kommission, -Parlament und -Rat, Ursula von der Leyen, David Sassoli und Charles Michel vereinbarten in einer einstündigen Videokonferenz lediglich, dass die weiteren Gespräche über die künftigen Beziehungen im Juli “intensiviert” werden sollten, wie auch schon von den Chefunterhändlern vorgeschlagen. Es sollten in dieser Zeit “die günstigsten Bedingungen für den Abschluss und die Ratifizierung eines Abkommens vor Ende des Jahres 2020 geschaffen werden”, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. Zuvor waren vier Verhandlungsrunden nahezu ergebnislos beendet worden.Die Parteien seien sich einig gewesen, “dass neuer Schwung erforderlich sei”, hieß es hierzu in der Erklärung. Eine Verlängerung der Übergangsphase soll es auf Wunsch der Briten nicht geben, wie gestern noch einmal offiziell festgehalten wurde. Allerdings hofft man in Brüssel noch darauf, “wenn möglich” eine frühzeitige Verständigung zu bekommen, wie überhaupt die Grundsätze eines Abkommens aussehen sollen.Aus dem EU-Parlament kamen gestern erneut Aufrufe an die britische Regierung, einzulenken. “Die Zeit drängt”, erklärte die grüne Handelsexpertin Anna Cavazzini. Bis Ende Oktober müsse ein Abkommen besiegelt sein. Das EU-Parlament wird darüber wachen, dass darin Arbeitsschutz- und Umweltstandards gewahrt blieben. Und CSU-Finanzexperte Markus Ferber sprach von einer “Bringschuld” Großbritanniens. Das Vereinigte Königreich müsse “maximale Flexibilität” zeigen. “Wenn sich die Briten partout nicht bewegen wollen, ist ein Scheitern der Verhandlungen unausweichlich.”Aus der deutschen Wirtschaft kamen unterdessen Aufrufe, die Verhandlungen jetzt zur “politischen Chefsache” zu machen. “Dieser Deal ist kurzfristig wichtiger als der Green Deal”, erklärte der Verband der Chemischen Industrie (VCI). Ein vernünftiges Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien sei angesichts der Coronakrise unverzichtbar für einen wirtschaftlichen Neustart. London peilt Juli an”Ich glaube nicht, dass wir so weit voneinander entfernt sind”, sagte Johnson nach dem Gespräch mit den EU-Funktionären. “Aber was wir jetzt brauchen, ist ein bisschen Pep bei den Verhandlungen.” Je schneller man die Gespräche über die Bühne bringen könne, desto besser. “Wir sehen keinen Grund, warum das im Juli nicht zu erledigen sein sollte”, sagte Johnson. “Ich möchte ganz bestimmt nicht, dass das bis Herbst oder Winter weitergeht, wie man das vielleicht in Brüssel gerne hätte.”Am Donnerstag trifft sich Johnson mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die ehemalige französische Europaministerin Nathalie Loiseau sagte der BBC unterdessen, ihr Land bereite sich “angesichts der Umstände” aktiver auf einen “No Deal” vor.Michel twitterte nach dem Gespräch mit Johnson, er sei “bereit, den Tiger in den Tank zu packen, aber nicht die Katze im Sack zu kaufen”. “Pacta sunt servanda”, schrieb Sassoli auf Twitter – vielleicht eine Anspielung auf die gemeinsame Erklärung, die mit der Austrittsvereinbarung unterzeichnet wurde. Großbritannien war zuletzt nicht mehr bereit, sich an bestimmte Dinge zu halten, die es aus Sicht der EU-Kommission darin bereits zugesichert hatte. Bei der gemeinsamen Erklärung handelt es sich allerdings um kein rechtlich bindendes Dokument. Nicht zuletzt deshalb war Brüssel in den Brexit-Verhandlungen mit Johnsons Vorgängerin Theresa May gerne bereit, Änderungen an der Erklärung vorzunehmen, nicht aber am Vertragstext der Austrittsvereinbarung. Johnson hatte in den vergangenen Wochen wiederholt erklärt, für mehr Souveränität auch Zölle in Kauf zu nehmen. Dann müssten die vorliegenden Entwürfe für ein Handelsabkommen allerdings Zeile für Zeile neu verhandelt werden. Das gilt angesichts der Ende Dezember auslaufenden Übergangsfrist aber als kaum zu leisten.