Briten droht "Triple Dip"-Rezession
Ein Rückgang der Industrieproduktion und eine geringere Ölförderung in der Nordsee haben dazu beigetragen, dass die Wirtschaft Großbritanniens im vierten Quartal 2012 erneut schrumpfte. Die britische Regierung spricht von einer schwierigen Lage. Sparprogramme sollen aber nicht aufgeweicht werden.ste London – Großbritanniens Wirtschaft ist im Schlussquartal 2012 um 0,3 % geschrumpft, stärker als von Ökonomen im Schnitt erwartet (- 0,1 %). Das nationale Statistikamt ONS veröffentlichte am Freitag erste Schätzungen, denen zufolge die Konjunktur des Inselstaats nach einem Wachstum im Olympia-Quartal von 0,9 % erneut schwächelte. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Europäischen Union (EU) läuft damit Gefahr, zum dritten Mal seit Beginn der Finanzkrise 2007 in die Rezession (zwei Quartale in Folge mit sinkender Wirtschaftsleistung) abzurutschen. Damit wird nicht nur der Verlust der seit 1978 gehaltenen höchsten Bonitätsnote wahrscheinlicher – die drei großen Ratingagenturen haben das Triple-A-Rating in den vergangenen zwölf Monaten mit einem negativen Ausblick versehen. Auch die zeitlich bereits gestreckte Konsolidierung der Staatsfinanzen wird durch den sich verzögernden Aufschwung immer schwieriger.Seinen strikten Sparkurs will Großbritanniens Finanzminister George Osborne jedoch nicht lockern, sollte es tatsächlich zu einer “Triple Dip”-Rezession kommen – die Wahrscheinlichkeit dafür dürfte durch das Winterwetter im Januar gestiegen sein. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos verteidigte der Schatzkanzler seinen Kurs gegen erneute Kritik des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dieser hatte sich schon im vergangenen Jahr für eine Aufweichung zur Ankurbelung der Konjunktur ausgesprochen, sollte die Wirtschaft bis 2013 nicht in Fahrt kommen. Die Glaubwürdigkeit, die Großbritannien an den Finanzmärkten entgegengebracht werde, sei schwer zu verdienen, aber leicht zu verlieren, meinte Osborne kurz vor Veröffentlichung der jüngsten Wachstumszahlen.Der Mitte des Jahres aus dem Amt scheidende Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, hatte am vorigen Dienstag betont, Quartalsveränderungen sagten wenig über die tatsächliche Stärke der Wirtschaft aus, da sie von Sonderfaktoren beeinflusst würden. Es gebe “gute Gründe anzunehmen, dass ein sanfter Aufschwung im Gang” sei, fügte er unter Hinweis auf das Geldmengenwachstum hinzu. Regierung “selbstgefällig”Allerdings räumte der konservative Finanzminister “eine sehr schwierige wirtschaftliche Lage” ein. Diese beruhe auf Schulden, die von der Labour-Vorgängerregierung über Jahre hinweg angehäuft worden seien, sowie auf der Krise in der Eurozone, die britische Exporte erschwere. Der Chef des liberaldemokratischen Koalitionspartners, der britische Vize-Premierminister Nick Clegg, erklärte, die Regierung habe Investitionen zu schnell zurückgedreht. Der finanzpolitische Sprecher der oppositionellen Labour-Partei, Ed Balls, nannte die Regierung selbstgefällig. Premier David Cameron und Schatzkanzler Osborne hätten sich in den vergangenen Monaten mehr mit einem EU-Referendum in fünf Jahren als mit den gegenwärtigen wirtschaftlichen Problemen beschäftigt. Wie rasch und wie kräftig sich die britische Wirtschaft erholt, dürfte wesentliche Bedeutung haben für die Aussichten bei den spätestens im Frühjahr 2015 anstehenden Unterhauswahlen. Der IWF kürzte seine Wachstumsprognose für Großbritannien nun noch einmal von 1,1 auf 1 % in diesem Jahr.Nach Angaben von Notenbankchef King stagniert die britische Wirtschaft nun seit zweieinhalb Jahren. Die Arbeitslosenquote befinde sich mit knapp 8 % deutlich über dem Vorkrisenniveau von 5,5 %. Sie läge noch höher, wäre die Teuerung in den vergangenen Jahren rigider begrenzt worden, so King. Im Verlauf der nächsten zwei Jahre sei eine Rückkehr zum Inflationsziel von 2 % zu erwarten – zuletzt zogen die Verbraucherpreise drei Monate in Folge um 2,7 % an. Zwar warnte der Gouverneur davor, die konjunkturfördernde Wirkung der Geldpolitik im Zuge der Anleihekäufe von bislang 375 Mrd. Pfund oder rund 25 % der jährlichen Wirtschaftsleistung Großbritanniens zu überschätzen. Er rief den Finanzminister aber nicht auf, die Austeritätspolitik aufzuweichen. Wichtig seien die Wiederherstellung des Vertrauens in die Banken, eine neue Ausbalancierung der Wirtschaft sowie ein Aufschwung der Weltwirtschaft und andere Wechselkurse. Das Pfund Sterling rutschte am Freitag – auch als Folge einer Stimmungsaufhellung in Deutschland – mit gut 85 Pence auf ein 13-Monats-Tief zum Euro. Der Dollar wertete zum Pfund auf das höchste Niveau seit fünf Monaten auf.—– Wertberichtigt Seite 8