Briten machen noch mehr Schulden

Schwaches Wachstum verlängert Haushaltskonsolidierung bis 2018 - Ökonomen sehen Rating in Gefahr

Briten machen noch mehr Schulden

Die Euro-Schuldenkrise und der nachlassende weltwirtschaftliche Schwung trüben die Wachstumsaussichten in Großbritannien ein. Zusätzliche Schulden könnten nun das Top-Rating des Inselstaats gefährden.ste London – Die Perspektiven für Großbritanniens Haushaltskonsolidierung verdüstern sich. Finanzminister George Osborne rechnet nach neuen Berechnungen des Amts für Haushaltskontrolle (OBR) nun damit, dass der Inselstaat in den kommenden fünf Jahren bis zum Fiskaljahr 2016/2017 insgesamt 52,5 Mrd. Pfund – 3,5 % der Jahreswirtschaftsleistung – mehr aufnehmen muss als noch im März erwartet. Der Schatzkanzler kalkuliert ferner, dass die Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors gemessen am Bruttoinlandsprodukt 2015/2016 bei 79,9 % ihren Höhepunkt erreichen wird – ein Jahr später als noch bei der vorigen halbjährlichen Haushaltsplanung im März antizipiert. Damals war auch eine niedrigere Schuldenquote von 76,3 % in Aussicht gestellt worden.Hatte die liberal-konservative Regierung nach ihrem Antritt 2010 zunächst Austeritätsmaßnahmen zur Eliminierung des Haushaltsdefizits innerhalb der laufenden Legislaturperiode bis 2015 angekündigt, so verlängerte der Finanzminister das Ziel gestern zum zweiten Mal – bis zum Fiskaljahr 2017/2018. Grund für die fiskalische Misere, die nach Einschätzung von Ökonomen wie Peter Dixon von der Commerzbank und Barclays-Volkswirt Simon Hayes die Triple-A-Bonitätsnote Großbritanniens immer mehr in Frage stellt, ist die Konjunkturschwäche.Nach dem Internationalen Währungsfonds (- 0,4 %) und der Organisation für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (- 0,1 %) geht nun auch die britische Regierung offiziell davon aus, dass die Wirtschaftsleistung in Großbritannien nach 2009 auch 2012 und damit zum zweiten Mal im Verlauf der Finanzkrise schrumpfen wird. Das OBR revidierte die März-Prognose von 0,8 % auf – 0,1 %. Für 2013 wird nur noch ein Wachstum von 1,2 % statt bislang 2,0 % in Aussicht gestellt. Das langfristige Durchschnittswachstum von 2,3 % erwarten die von der Regierung eingesetzten Forscher statt 2014 erst 2015.Investoren hatten die Wachstumsrevision der Regierung erwartet: Der FTSE 100 legte gestern um 0,4 % zu, der zuvor auf ein Monatstief zum Euro gesunkene Pfund-Kurs befestigte sich um 0,2 %. Die Renditen für zwei- bis zehnjährige britische Staatsanleihen sanken, die Zinsen für Gilts mit 30-jähriger Laufzeit zogen hingegen an. Während die oppositionelle Labour-Partei in einer Unterhausdebatte der Regierung einen falschen Austeritätskurs vorwarf, der die Konjunktur abwürge, bekräftigte Finanzminister Osborne den Kurs des Defizitabbaus und stellte eine Reihe von Maßnahmen vor, die insgesamt “fiskalisch neutral” seien. Wurden ihm im März noch zu große Wohltaten zugunsten Vermögender vorgehalten, so bemühte sich Osborne wohl auch angesichts des deutlichen Rückstands seiner konservativen Partei in Meinungsumfragen, politische Risiken zu vermeiden. So kündigte er an, auf die für 2013 geplante Anhebung der Benzinsteuer um 3 Pence je Liter zu verzichten, was einen jährlichen Einnahmenverlust von 1,5 Mrd. Pfund bedeutet. Auf Einnahmen wird auch im Zuge einer weiteren Erhöhung des Einkommensteuerfreibetrags und der weiteren Senkung des Unternehmenssteuersatzes um 1 Punkt auf 21 % ab April 2014 verzichtet. Als Folge einer Vereinbarung mit der Schweiz erwartet Großbritannien zur Kompensation Steuerrückführungen in den nächsten Jahren, so 3,1 Mrd. Pfund im Fiskaljahr 2013/2014. Ferner soll die Bankenabgabe Anfang 2013 von bislang geplanten 0,105 % auf 0,13 % steigen, um jährliche Mindesteinnahmen von 2,5 Mrd. Pfund zu erreichen.Aus der Auktion der 4G-Telekommunikationsfrequenzen kalkuliert Großbritannien 2013 mit Einnahmen von 3,5 Mrd. Pfund. Für Infrastrukturinvestitionen werden in den nächsten zwei Jahren 5 Mrd. Pfund bereitgestellt. Zudem gibt es Steueranreize für die Schiefergasförderung sowie Exportfinanzhilfen von 1,5 Mrd. Pfund. Von den Ministerien werden weitere Einsparungen von 2,4 Mrd. Pfund pro Jahr erwartet.