Konjunktur

Britische Kerninflation so hoch wie zuletzt vor mehr als 30 Jahren

Der rasante Preisauftrieb im Vereinigten Königreich hat sich im Mai trotz mittlerweile zwölf Leitzinserhöhungen in Folge fortgesetzt. Die Kernrate stieg auf den höchsten Stand seit März 1992.

Britische Kerninflation so hoch wie zuletzt vor mehr als 30 Jahren

Britische Kerninflation schockt

So hoch wie zuletzt vor gut 30 Jahren – Verschuldung erreicht 100 Prozent des BIP

hip London

Die britische Kerninflation ist im Mai auf den höchsten Stand seit März 1992 gestiegen. Der vom Statistikamt ONS vorgelegte Datenkranz zur Teuerung wartete damit zum vierten Mal in Folge mit einer unangenehmen Überraschung für die Geldpolitiker der Bank of England auf, die den Preisauftrieb trotz zwölf aufeinanderfolgenden Leitzinserhöhungen seit Dezember 2021 nicht in den Griff bekommen haben. Der Verbraucherpreisindex CPI stieg zwar im Vergleich zum Vorjahr nicht stärker als im April. Volkswirte hatten aber statt einem Plus von 8,7% im Schnitt lediglich einen Zuwachs von 8,4% auf der Rechnung. Sinkende Kraftstoffpreise hätten einen solchen Rückgang eigentlich nahegelegt. Lebensmittel verteuerten sich allerdings um 0,9% und kosteten damit 18,3% mehr als ein Jahr zuvor. Das Inflationsziel der Bank of England liegt bei 2,0%.

Am Markt wurden die Daten als Indiz dafür gewertet, dass das geldpolitische Komitee (Monetary Policy Committee, MPC) der Notenbank den Leitzins am Donnerstag nicht nur um 25, sondern gleich um 50 Basispunkte nach oben nehmen wird, um ihre Glaubwürdigkeit wiederherzustellen. Am Markt wurden vor Veröffentlichung der Daten 30 Basispunkte eingepreist, danach 37. Die Zentralbankökonomen hatten für das zweite Quartal eine Teuerung von 8,22% angesetzt. Sollte die Preisentwicklung im Juni nicht dramatisch zurückgehen, wird die Inflation für den laufenden Dreimonatszeitraum deutlich darüber liegen. Das könnte auch geldpolitische „Tauben“ unter den MPC-Mitgliedern wie Swati Dhingra und Silvana Tenreyro dazu bewegen, für weitere Zinserhöhungen zu stimmen.

„Wir befinden uns in der unglücklichen Position, ähnliche Lohnerhöhungen wie in den Vereinigten Staaten und ähnlich steigende Energiepreise wie in Europa zu haben“, sagte Sarah Coles, Head of Personal Finance bei Hargreaves Lansdown. „Wir machen also das Schlimmste aus beiden Welten durch und haben es deshalb mit einer hartnäckigeren und höheren Inflation als anderswo zu tun.“

Laut den Strategen von Liberum Capital stecken dieses Mal nicht steigende Energie- und Lebensmittelpreise hinter der unerwünschten Entwicklung. Das seien „vorübergehende Effekte“, die von den Institutionen einfacher bewältigt werden könnten. Es gehe mehr um langfristige strukturelle Probleme, die mit der niedrigen Produktivität und dem Arbeitskräftemangel zu tun hätten. Dass die Inflation bei Dienstleistungen ein so starker Treiber der Teuerung insgesamt geworden sei, habe nicht nur mit ihrem vergleichsweise großen Gewicht im Warenkorb der Statistiker zu tun, sondern auch mit dem hohen Lohnwachstum.

Unterdessen stieg die öffentliche Neuverschuldung um 20,0 Mrd. Pfund. Damit erreichte der Schuldenberg in Großbritannien 100% des Bruttoinlandsprodukts. Das war zuletzt 1961 der Fall.

Volkswirte hatten im Schnitt mit einer öffentlichen Neuverschuldung um 19,5 Mrd. Pfund gerechnet. Die unabhängigen Haushaltshüter des Office for Budget Responsibility erwarteten lediglich 18,3 Mrd. Pfund.

Die zugleich vom Statistikamt ONS vorgestellten Daten zum Häusermarkt zeigen, dass die steigenden Hypothekenzinsen noch keine Wirkung auf die Preise zeigen. Im April verteuerten sich Wohnimmobilien um 0,4%. Der durchschnittliche Preis eines Eigenheims lag mit 286.000 Pfund um 9.000 Pfund über dem Vorjahreswert. Verkäufer sind offenbar nicht bereit, Abstriche beim Angebotspreis zu machen. Allerdings bekommen sie, anders als in den vergangenen Jahren, offenbar deutlich weniger für ihre Objekte.

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