Zinserhöhung im Anflug

Britische Reallöhne steigen

In Großbritannien hat das Lohnwachstum erneut Fahrt aufgenommen. Treiber waren Tarifeinigungen im öffentlichen Dienst. Doch auch die Arbeitslosigkeit stieg. Und die Zahl der ausgeschriebenen Stellen ging den 15. Monat in Folge zurück.

Britische Reallöhne steigen

Britische Reallöhne steigen

Zeichen für Entspannung am Arbeitsmarkt mehren sich – Weniger offene Stellen

hip London

Das britische Lohnwachstum ist erneut stärker ausgefallen als von Ökonomen erwartet. Das gab der Sorge, die hohe Teuerungsrate könnte sich hartnäckiger erweisen als gedacht, neue Nahrung. Treiber waren Tarifeinigungen im öffentlichen Dienst. Unterdessen nahm die Arbeitslosigkeit zu, die Zahl der Stellenausschreibungen sank den 15. Monat in Folge. Am Markt wurden die Daten des Statistikamts ONS dennoch als Indikator für eine weitere Leitzinserhöhung der Bank of England am 21. September gewertet.

Schatzkanzler Jeremy Hunt hatte bereits am Vortag Forderungen nach Steuersenkungen unter Verweis auf die Teuerungsrate eine Absage erteilt. "Wenn man versucht, die Inflation herunterzubringen, muss man aufpassen, dass man kein zusätzliches Geld in die Wirtschaft pumpt", sagte er Bloomberg TV.

Hohe Einmalzahlungen im öffentlichen Dienst

Wie das ONS mitteilte, stieg die Gesamtvergütung in den drei Monaten per Ende Juli im Vorjahresvergleich um 8,5%. Das war das stärkste Wachstum seit Beginn der Erhebung im Jahr 2001, wenn man die Zeit der Pandemie unberücksichtigt lässt. Volkswirte hatten im Schnitt 8,2% auf der Rechnung. Real – also unter Berücksichtigung des starken Preisauftriebs – belief sich das Plus auf 1,2%. Für die drei Monate per Ende Juni revidierte das Statistikamt seine Angaben von 8,2% auf 8,4% nach oben. Im öffentlichen Dienst beschleunigte sich das Lohnwachstum von 10,7% auf 12,2%. Das hängt mit hohen Einmalzahlungen für Mitarbeiter des NHS (National Health Service) und Beamte zusammen. In der Privatwirtschaft ging es dagegen von 7,8% auf 7,6% zurück. Die größten Zuwächse verzeichneten die Beschäftigten von Banken und anderen Finanzdienstleistern.

Die Bank of England hatte in ihrem jüngsten Inflationsbericht für das laufende Quartal ein Lohnwachstum von 6,9% angesetzt, für das kommende Quartal lediglich 6,2%.

Zahl der Arbeitslosen steigt im Vorjahresvergleich deutlich

Die Arbeitslosenquote stieg im Einklang mit dem Schnitt der Schätzungen von Volkswirten von 4,2% auf 4,3%. Die Zahl der Arbeitslosen beläuft sich nun auf 1,46 Millionen. Im Vergleich zum im August 2022 erreichten Tiefststand ist das ein Anstieg von 23%. Die Zahl der Beschäftigten schrumpfte um 207.000. Die Zahl der ausgeschriebenen Stellen sank den 15. Monat in Folge und bewegt sich nun unterhalb der Schwelle von einer Million.

Wenn die Arbeitslosigkeit steige und die Beschäftigung sinke, werde das Zweifel an der Theorie aufwerfen, dass britische Unternehmen Arbeitskräfte "horten", schrieb die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins. Der Theorie liegt die Annahme zugrunde, dass Firmen nach den Problemen mit der Rekrutierung von Arbeitskräften am Ende der Pandemie an ihren Mitarbeitern festhalten. Unternehmen seien aufgrund hoher Cash-Bestände und niedriger Schulden in gewisser Hinsicht von den schlimmsten Auswirkungen steigender Zinsen abgeschirmt, argumentiert Martins. Sie könnten sich dafür entscheiden, ihre Gewinnmargen dadurch zu sanieren, dass sie Personal abbauen, statt höhere Lohnkosten an die Verbraucher weiterzugeben.

Mehr wirtschaftlich Inaktive als vor der Pandemie

Die hohe wirtschaftliche Inaktivität ist aus Sicht von David Mahoney, dem mit Großbritannien befassten Volkswirt von Handelsbanken, immer noch ein Problem. Zwar sei der jüngste Anstieg auf die Zunahme der Studierenden um 55.000 zurückzuführen. Doch gebe es im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie 410.000 wirtschaftlich Inaktive mehr. Diesen Trend habe es in anderen G7-Ländern nicht gegeben.

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