Inflationsdaten

Britische Teuerung unerwartet robust

In Großbritannien hat sich die Inflation als unerwartet hartnäckig erwiesen. Die Kernrate stieg im April auf den höchsten Stand seit März 1992. Die Bank of England könnte dazu gezwungen sein, den Leitzins stärker als bislang am Markt erwartet zu erhöhen.

Britische Teuerung unerwartet robust

Großbritannien

Britische Teuerung bleibt robust

Kernrate so hoch wie zuletzt im März 1992 – Starker Preisauftrieb bei Lebensmitteln

hip London

Die britische Teuerungsrate ist zwar nur noch einstellig. Die Inflation ging im April aber bei weitem nicht so stark zurück wie von Volkswirten im Schnitt erwartet. Zudem legte die Kerninflationsrate deutlich zu. Sie bewegt sich nun auf dem höchsten Stand seit mehr als 30 Jahren. Damit wird zunehmend fraglich, ob es die Bank of England, wie von vielen unterstellt, bei einer weiteren Leitzinserhöhung belassen wird. Prompt stiegen die Renditen britischer Staatsanleihen und das Pfund legte gegen den Dollar zu. Auf Premierminister Rishi Sunak und Schatzkanzler Jeremy Hunt, die den Wählern versprachen, die Inflation bis Ende des Jahres zu halbieren, erhöht sich der Druck.

Volkswirte zu optimistisch

Wie das Statistikamt ONS mitteilte, ging der Preisauftrieb von 10,1% im vorangegangenen Monat auf 8,7% zurück. Das lässt sich nahezu ausschließlich auf einen Basiseffekt zurückführen: Im April 2022 erhöhten die britischen Energieversorger drastisch die Preise – eine Reaktion auf die Verwerfungen am europäischen Gasmarkt nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Die Hoffnungen von Regierung und Notenbank auf ein schnelles Nachlassen der Teuerung im weiteren Jahresverlauf beruhen in erster Linie darauf, dass sich dieser Inflationsschub nicht wiederholen wird. Die Bank of England hatte erwartet, dass die Teuerung im April auf 8,4% nachlassen würde. Bankvolkswirte hatten im Schnitt 8,2% auf der Rechnung. Der Einzelhandelspreisindex, an dem sich inflationsgeschützte Staatsanleihen (Gilts) orientieren, legte um 11,4% zu. Erwartet wurde lediglich ein Anstieg von 11,1%. Der Preisauftrieb bei Lebensmitteln ließ im Vergleich zum März nicht nennenswert nach. Er lag bei 19,1% und damit lediglich einen Zehntelpunkt niedriger als im vorangegangenen Monat. Die Einzelhandelsbranche war Vorwürfen der Preistreiberei („Greedflation“) vehement entgegengetreten und hatte dabei nicht nur auf den höheren Mindestlohn, sondern auch auf höhere Kosten durch Regulierung hingewiesen.

Die große Überraschung für die meisten Ökonomen war jedoch, dass die Kernrate von 6,2% auf 6,8% nach oben schoss. Das ist der höchste Wert seit März 1992. Dabei wird sie bereits ohne schwankungsanfällige Komponenten wie Energie, Lebensmittel, Alkohol und Tabak berechnet. „Für einen Schatzkanzler, der seinen Ruf darauf verwettet hat, die Inflation zu senken, und eine Bank of England, die ähnlich besorgt um ihre Glaubwürdigkeit bei der Inflationsbekämpfung ist, deutet das auf eine Schlacht hin, die noch lange nicht gewonnen ist“, sagte James Sproule, der für Großbritannien zuständige Volkswirt von Handelsbanken. „Obwohl die britische Wirtschaft das Szenario einer tiefen Rezession, die von vielen zum Jahresbeginn vorhergesagt wurde, vermieden zu haben scheint, haben wir den Verdacht, dass das Wirtschaftswachstum schwach bleiben oder sich noch weiter abschwächen wird“, sagte Daniele Antonucci, der Chefvolkswirt der Quintet Private Bank. „Der Druck auf die Einkommen der privaten Haushalte und die Rentabilität der Unternehmen durch Zinsen, Inflation und Fiskalpolitik wird sich vermutlich intensivieren.“    

Am Häusermarkt mehren sich unterdessen die Anzeichen für eine Entspannung. Zwar sind die durchschnittlichen Preise für ein Eigenheim dem ONS zufolge im März den vierten Monat in Folge gefallen. Doch lagen sie im Vorjahresvergleich immer noch um 4,1% höher.

Die Bank of England teilte zudem mit, dass die Zahl der neu bewilligten Hypotheken im März deutlich gestiegen sei. Das könnte auf mehr Transaktionen im Sommer hindeuten. Der Index des Immobilienportals Zoopla deutete auf einen rasanten Anstieg der Nachfrage nach den Osterferien hin. Allerdings bewegte sie sich immer noch unter Vorjahresniveau.

In Großbritannien hat sich die Inflation als unerwartet hartnäckig erwiesen. Die Kernrate stieg im April auf den höchsten Stand seit März 1992. Die Bank of England könnte dazu gezwungen sein, den Leitzins stärker als bislang am Markt erwartet zu erhöhen. Die Inflationsdaten setzten auch die britische Regierung unter Druck.

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