DER TAG NACH MAYS BREXIT-NIEDERLAGE

Britische Wirtschaft fürchtet No Deal

"Jetzt ist die Zeit für unsere Politiker, als Anführer Geschichte zu machen"

Britische Wirtschaft fürchtet No Deal

hip London – Vertreter der britischen Wirtschaft haben das Scheitern des im Namen von Theresa May ausgehandelten EU-Austrittsvertrags im britischen Parlament mit Beunruhigung aufgenommen. Das lang erwartete “aussagekräftige Votum” des Parlaments lieferte den Unternehmen nicht die erhoffte Gewissheit. “Das Votum gegen den Brexit-Deal, der auf dem Tisch lag, bringt uns dem Abgrund eines ,No Deal` näher, der für die Autoindustrie katastrophal wäre”, sagte Mike Hawes, CEO des Verbands SMMT (Society of Motor Manufacturers & Traders). “Ein ,No Deal` muss um jeden Preis vermeiden werden”, forderte er. “Die Wirtschaft braucht Gewissheit, deshalb brauchen wir Politiker, die alles tun, um irreversible Schäden für diese lebenswichtige Branche zu vermeiden.”Die Rechtslage ist eindeutig. Bis sich eine Mehrheit für einen Deal zusammenfinde, den die EU akzeptiert, sei der Austritt ohne eine Übereinkunft am 29. März als Ergebnis vorgegeben, sagte Charles Brasted, Partner bei der Kanzlei Hogan Lovells. Die Mehrheit der Abgeordneten, die einen “No Deal” vermieden will, solle sich keine Illusionen darüber machen, was dafür erforderlich sei. Bislang habe das Parlament nur klargemacht, was es nicht wolle. Eine Mehrheit für irgend etwas zeichne sich nicht ab.”Jetzt ist die Zeit für unsere Politiker, als Anführer Geschichte zu machen”, sagte Carolyn Fairbairn, die Chefin der Confederation of British Industry (CBI). “Wir brauchen sofort einen neuen Plan.” Alle Abgeordneten sollten über die Notwendigkeit von Kompromissen nachdenken und schnell handeln, um die britische Wirtschaft zu schützen, forderte Fairbairn, deren Verband sich einst für die Einführung des Euro in Großbritannien starkgemacht hatte. “Cliff Edge”-RisikenStephen Jones, Chief Executive von UK Finance, verwies auf die tickende Uhr. “Die Firmen der Finanzbranche haben Notfallpläne aufgestellt, um die in einem ,No Deal’-Szenario möglichen Beeinträchtigungen für ihre Kunden zu minimieren”, sagte Jones, “aber es bleiben kritische ,Cliff Edge’-Risiken, etwa bei der Übertragung persönlicher Daten oder bei der Ausführung grenzüberschreitender Verträge.”City-Anwälte rechnen damit, dass die verschiedenen Fraktionen, die sich im Unterhaus gebildet haben, versuchen werden, der Regierung durch Amendments den Takt vorzugeben. “Das könnte der Moment sein, in dem das Parlament wirklich die Kontrolle über die Richtung des Brexit übernimmt und der Regierung politische Vorgaben macht”, sagte Brasted. May könne dadurch “zur Agentin einer wiederauflebenden Legislative” werden, deren Position als Regierungschefin zwar bestätigt worden sei, deren Autorität, diese auch zu führen, aber vom Willen des Parlaments abhänge.Während an den Finanzmärkten bereits unterstellt wird, das “No Deal”-Szenario wäre vom Tisch, haben Unternehmen der Realwirtschaft keine andere Wahl, als ihre Vorbereitungen auf einen Hard Brexit fortzusetzen, bis sicher ist, wohin die Reise geht. “Die grundlegende Botschaft für Unternehmen ist derzeit, dass sie ihre Planungen für einen ,No Deal’-Brexit fortsetzen müssen, was die meisten von ihnen auch schon lange tun”, sagte Jonathan Herbst, Global Head of Financial Services bei der Kanzlei Norton Rose Fulbright. “Es geht wirklich darum, auf der einen Seite ruhig zu analysieren und dabei zugleich ein Auge auf die laufenden Entwicklungen zu werfen.”