Britische Wirtschaft nur knapp über der Nulllinie
Britische Wirtschaft bleibt nur knapp über der Nulllinie
Schwaches Wachstum weckt Zinssenkungshoffnungen
hip London
Die britische Wirtschaft ist im November weniger gewachsen als erwartet. Das weckte am Markt prompt Hoffnungen, dass die Bank of England im laufenden Jahr mehr Zinsschritte nach unten tun wird als bislang angenommen. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, expandierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,1%. Volkswirte hatten im Schnitt ein Plus von 0,2% auf der Rechnung.
Der Großteil der negativen Überraschung dürfte aus Sicht der Volkswirte der Lloyds Banking Group der schwachen Industrieproduktion zuzurechnen sein. Sie knickte um 0,4% ein. Der die britische Wirtschaft dominierende Dienstleistungssektor wuchs dagegen wie weithin erwartet um 0,1%. Nach Rechnung der Ökonomen der schottischen Großbank müsste das BIP im Dezember um 0,25% gestiegen sein, damit das Wachstum im Schlussquartal nicht ins Minus rutscht.
„Vorbeugende“ Zinssenkungen
Die Bank of England ging für das Quartal zuletzt von Stagnation aus. „Es ist schwer, besonders optimistisch zu sein“, heißt es in der Einschätzung der Lloyds Banking Group. „Das Niveau des BIP war im November etwas niedriger als im März. Die jüngsten Indikatoren vom Arbeitsmarkt lieferten nicht allzu viel Hoffnung auf Besserung.“ Der Geldpolitiker Alan Taylor werde sich vor diesem Hintergrund wohl mit seinen jüngsten Äußerungen wohlfühlen.
Der Columbia-Professor gehört dem Monetary Policy Committee (MPC) der Bank of England seit August vergangenen Jahres an. In seiner ersten Rede als MPC-Mitglied sprach er sich an der Universität Leeds mit Blick auf die Gefahr eines wirtschaftlichen Abschwungs für „vorbeugende“ Zinssenkungen aus. Taylor stimmte bereits im Dezember für eine weitere Lockerung der Geldpolitik. Das MPC wird am 6. Februar die nächste Zinsentscheidung bekanntgeben.
Weitere Schritte erwartet
Am Markt wird erwartet, dass das MPC die Bank Rate von 4,75% auf 4,50% nach unten nimmt. Zudem wird eine größere Wahrscheinlichkeit für zwei weitere Schritte im laufenden Jahr eingepreist.
Auch die Handelsbilanz verschlechterte sich im November. Während die Importe auf Dreimonatsbasis um 1,5% zurückgingen, schrumpften die Exporte um 4,7%. „Für eine Regierung, die Wachstum zur Top-Priorität erklärt hat, sind das keine guten Nachrichten“, schrieb die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins in einer ersten Einschätzung.
„Das braucht Zeit“
Im ersten Halbjahr 2024 war Großbritannien die am schnellsten expandierende Volkswirtschaft unter den G7-Staaten. Seit dem Wahlsieg von Labour am 4. Juli stagniert die britische Wirtschaft. Zunächst dämpften hohe Zinsen und Ungewissheit über die Vorhaben der neuen Regierung die Entwicklung. Dann sorgte Schatzkanzlerin Rachel Reeves mit Steuererhöhungen im Volumen von 40 Mrd. Pfund und einer höheren Neuverschuldung für Ernüchterung.
„Die Wahrheit ist, dass die britische Wirtschaft in den vergangenen 14 Jahren kaum gewachsen ist“, sagte Reeves. „Deshalb haben wir eine Krise bei den Lebenshaltungskosten und deshalb geht es den Menschen schlechter.“ Ihre Regierung sei entschlossen, Wachstum zu schaffen. „Das braucht Zeit“, gab sie zugleich zu.
Aufsichtsbehörden einbestellt
Gemeinsam mit Wirtschaftsminister Jonathan Reynolds berief sie am Donnerstag die Chefs diverser Regulierer wie der Wettbewerbsaufsicht CMA ein. Sie wollen die Behörden dazu bringen, ihre Arbeitsweise zu überdenken und Wachstumshemmnisse auszuräumen.