Britische Wirtschaft schrumpft um ein Fünftel
hip London – Die britische Wirtschaft ist im ersten Monat des Lockdown um ein Fünftel geschrumpft. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, brach das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im April um 20,4 % ein. Dem ONS-Statistiker Jonathan Athow zufolge war es der steilste Absturz, den es im Vereinigten Königreich je gegeben hat. Im März war das BIP bereits um 5,8 % zurückgegangen. Damit sind innerhalb von zwei Monaten fast 18 Jahre wirtschaftliches Wachstum verpufft. Im April war die Wirtschaft um ein Viertel kleiner als im Februar.Nach Schätzung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden die wirtschaftlichen Schäden durch die Pandemie in Großbritannien größer sein als in anderen entwickelten Ländern. Die Dienstleistungsbranche spielt im Vereinigten Königreichs eine dominante Rolle. Gastgewerbe, Handel, Immobilienwirtschaft und Tourismus wurden von den Vorgaben zur sozialen Distanzierung weitgehend lahmgelegt.”Wie in vielen anderen Volkswirtschaften weltweit hat das Coronavirus schwerwiegende Auswirkungen auf unsere Wirtschaft”, sagte Schatzkanzler Rishi Sunak am Freitag. “Die Rettungslinien, die wir durch unser Lohnsubventionierungsprogramm, Zuschüsse, Kredite und Steuersenkungen zur Verfügung gestellt haben, haben Tausende von Firmen und Millionen von Arbeitsplätzen erhalten.” Deshalb stünden die Chancen gut für eine schnelle Erholung, wenn die Wirtschaft wieder den Betrieb aufnehmen könne. Er hoffe, dass das Leben wieder “ein bisschen normaler” werde, wenn viele Geschäfte am Montag wieder die Türen öffnen. Tiefpunkt könnte erreicht seinVolkswirte hatten bereits mit einem Rückgang des BIP in dieser Größenordnung gerechnet. Die Daten können noch stark revidiert werden. Viele Ökonomen gehen aber davon aus, dass der Tiefpunkt bereits erreicht ist, nachdem im Mai erste Schritte zur Lockerung der Ausgangsbeschränkungen getan wurden. Von hier aus könne es nur nach oben gehen, schrieb etwa Robert Wood, der für Großbritannien zuständige Volkswirt von Bank of America. “Wir haben das Schlimmste hinter uns”, sagte der Volkswirt Andrew Wishart von Capital Economics. Doch werde sich die Erholung lange hinziehen. Die Daten zeigten, wie tief das Loch sei, aus dem man sich nun herauszuarbeiten versuche, kommentierte David Owen, Europa-Chefvolkswirt bei Jefferies.Beim Unternehmensverband CBI ist man pessimistischer. “Die Daten bestätigen, was wir schon wussten”, sagte der CBI-Volkswirt Alpesh Paleja. “Unsere Unternehmensbefragungen deuten darauf hin, dass die Aktivität seitdem nicht wesentlich zugenommen hat.” Die Lohnsubventionierungs- und finanziellen Stützungsprogramme der Regierung müssten “beweglich und reaktionsfähig” bleiben, forderte er. Sunak würde das Coronavirus Job Retention Scheme allerdings gerne zurückfahren (vgl. BZ vom 30. Mai). Noch werden bis zu einer Obergrenze von 2 500 Pfund pro Kopf und Monat 80 % der Gehälter von Arbeitnehmern sowie die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung übernommen, um ihre Weiterbeschäftigung zu sichern. Das kostet derzeit um die 15 Mrd. Pfund pro Monat.Unterdessen gehen jedoch immer neue Hiobsbotschaften von bekannten Arbeitgebern ein, die nicht glauben, dass sie nach Ende der Krise noch so viele Mitarbeiter benötigen. Die British-Gas-Mutter Centrica kündigte zuletzt an, 5 000 Stellen zu streichen. Beim Chemieunternehmen Johnson Matthey sind es 2 500 Jobs. Bombardier Aerospace will die Belegschaft in Nordirland um 600 Mitarbeiter verringern. Zuvor hatten bereits British Airways (12 000 Stellen), BP (10 000), Easyjet (4 500) und Rolls-Royce (9 000) tiefe Einschnitte bekannt gegeben.Die OECD geht für das laufende Jahr von einer wirtschaftlichen Schrumpfung von 11,5 % aus. Barclays setzt lediglich ein Minus von 7,5 % an, Jefferies hat einen Rückgang von 15 % auf der Rechnung. – Wertberichtigt Seite 6