Britischer Notenbankchef pessimistisch für Eurozone

King: Finanzkrise noch nicht halbwegs bewältigt

Britischer Notenbankchef pessimistisch für Eurozone

ste London – Zwei Tage vor dem EU-Gipfeltreffen hat der Gouverneur der Bank of England, Mervyn King, ein düsteres Bild über die Perspektiven für die Eurozone und für Großbritannien gezeichnet. In einer Anhörung vor Mitgliedern des Finanzausschusses im britischen Unterhaus äußerte sich der Notenbankchef “pessimistisch” über die Entwicklungen in der Eurozone. “Ich bin in besonderem Maße beunruhigt, weil wir nun seit zwei Jahren eine stetige Verschlechterung der Situation in der Eurozone beobachten und das Problem nicht gelöst wird.” Die Ansteckungseffekte der Schuldenkrise seien verheerend für Investitionsentscheidungen von Unternehmen innerhalb der Währungsunion, in Großbritannien und im Rest der Welt, meinte King. Er sei betroffen angesichts der Entwicklungen in den vergangenen sechs Wochen.Hatte sich die Bank of England im Mai noch entschieden, das im vergangenen Oktober wieder aufgenommene Programm zum Ankauf britischer Staatsanleihen zum zweiten Mal auszusetzen, deuten Stellungnahmen einzelner Mitglieder im geldpolitischen Ausschuss der Notenbank inzwischen darauf hin, dass schon im Juli der bisherige Ankaufrahmen von 325 Mrd. Pfund erneut ausgeweitet werden könnte. Auch Kings gestrige Aussagen vor dem Parlamentsausschuss wurden von Ökonomen in dieser Weise aufgefasst. Die Anmerkungen seien “ziemlich finster”, erklärte etwa IHS-Global-Insight-Analyst Howard Archer. Bei der Großbank Barclays rechnet man mit einer Ausdehnung des im März 2009 gestarteten Programms der sogenannten quantitativen Lockerung im Juli um 50 Mrd. Pfund. Schon in diesem Monat war die Wiederaufnahme der Wertpapierkäufe bei einem Stimmenverhältnis von 5:4 nur knapp gescheitert.King, der für eine Ausweitung gestimmt hatte, betonte gestern, er mache sich seit einigen Monaten Sorgen wegen der Eintrübung der Konjunktur in Asien und in anderen Schwellenmärkten. Zudem äußerten sich die Notenbankkollegen in den USA besorgter über den Zustand der amerikanischen Wirtschaft als noch zu Jahresbeginn. “Wir stecken in einer tiefen Krise”, erklärte King. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass die Krise, die vor fast fünf Jahren ihren Anfang nahm, noch nicht halbwegs durchgestanden sei.Befürchtet wird, dass die Rezession, in die Großbritannien im vergangenen Herbst zum zweiten Mal seit 2007 abrutschte, noch längere Zeit andauern könnte. Die Bank of England und die britische Regierung stemmen sich deshalb bereits mit zusätzlichen Maßnahmen gegen eine weitere konjunkturelle Verschlechterung. In wenigen Wochen soll – nach Genehmigung durch die EU-Kommission – das am 14. Juni angekündigte Programm starten, das Banken geringere Kosten für die Refinanzierung über die Notenbank gegen die Verpflichtung zu einer stärkeren Kreditvergabe zusagt. Die Regierung kündigte gestern an, die für August geplante Anhebung der Benzinsteuer aufzuschieben.