Brüder im Geiste
Von Stephan Lorz, FrankfurtEr fungiert als “Brückenbauer” zwischen Geldpolitik und Märkten, Wissenschaft und Politik und schlägt auch noch den Bogen hin zur Öffentlichkeit. Otmar Issing, der frühere Chefvolkswirt der Bundesbank sowie der Europäischen Zentralbank (EZB) und aktuelle Präsident des Center for Financial Studies (CFS) in Frankfurt hat vielerlei Fertigkeiten und Wesensmerkmale, die ihn zu dieser Funktion befähigen. Die Laudationes anlässlich des Empfangs zu seinem 80. Geburtstag sowie zu seinem zehnjährigen Wirken am CFS am Mittwoch stellten das heraus, zeichneten seinen beeindruckenden wissenschaftlichen Werdegang und seine Erfolge etwa beim Aufbau und strukturellen Prägung der EZB nach und lobten seine Gabe, Debatten stets in die gewünschte Richtung zu lenken. CFS-Direktor Jan P. Krahnen sagte, Issing liefere in ökonomischen Debatten “immer die richtigen Worte, die anschaulichsten Beispiele und überzeugendsten Argumente”.Doch wie fest der Jubilar mit einem Bein auf dem Boden der Wissenschaft steht und mit dem anderen auf den schwankenden Planken der realen Wirtschaft tänzelt, konnte kein besserer darlegen wie der frühere britische Notenbankchef Lord Mervyn King.Issing und er erweisen sich als Brüder im Geiste, sind nicht nur freundschaftlich tief verbunden, sondern bringen auch in den ökonomischen Debatten jenen soliden Realismus mit, der vielen Wissenschaftlern abgeht, die sich in ihre Modelle und Theoriegebilde flüchten, halsbrecherischen Vorstellungen anhängen oder sich als Weltversteher feiern lassen.King warnte die Geldpolitik davor, sich mechanistisch von Modellen leiten zu lassen. Denn Schocks und sich ändernde Strukturen gingen darin nicht ein. Modelle könnten allenfalls helfen, die Welt zu verstehen, seien aber nicht ihr Abbild.Die Eurozone sieht King in einer existenzbedrohenden Lage. Die Geldpolitik könne der Politik nur Zeit kaufen, betonte er. Negativzinsen seien keine Lösung für die Probleme – halten sie länger an, würden die Probleme sogar nur noch größer.Wie Issing dringt auch King darauf, die Politik zum Handeln zu zwingen, statt ihr durch die Geldpolitik weiter Lasten abzunehmen. Letztlich, so King, habe die Missachtung der No-Bail-out-Regel in die verfahrene Lage der Eurozone geführt. Verträge wurden in der Vergangenheit nicht eingehalten, und würden es daher wohl auch in Zukunft nicht. “Woher soll das Vertrauen denn kommen?” Es sei also keine ökonomische, sondern eine politische Krise, in der sich die Eurozone befinde. Nur mehr Demokratie und kooperierendes Politikhandeln, das den Menschen wieder Vertrauen einflößt, könnten das Blatt noch wenden.