Brüssel probt den Online-Spagat

Die EU will mehr Schutz der Privatsphäre im Internet, zugleich aber Hürden in der Datenwirtschaft abbauen

Brüssel probt den Online-Spagat

Die EU-Kommission hat ihr im vergangenen Jahr verabschiedetes Datenschutzpaket noch einmal nachgebessert. Betroffen sind unter anderem Messengerdienste wie Whatsapp und Skype. Der Schutz der Privatsphäre soll künftig EU-weit geregelt werden. Zugleich will die Brüsseler Behörde aber auch Hürden in der Datenwirtschaft weiter abbauen.ahe Brüssel – Die EU-Kommission will den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation weiter erhöhen und weitet die aktuelle E-Datenschutz-Richtlinie nun auch auf Dienste wie Whatsapp, Facebook, Skype, Gmail, iMessage oder Viber aus. Bisher galten die Regelungen nur für herkömmliche Telekommunikationsanbieter. Ohne die Einwilligung des Nutzers dürfen demnach auch bei diesen Diensten keine Textnachrichten, E-Mails oder Sprachanrufe angezapft, abgehört, durchsucht oder gespeichert werden. Nach Angaben der EU-Kommission unterliegen sowohl der Inhalt der Kommunikation als auch die Metadaten – also beispielsweise der Zeitpunkt eines Anrufs, die Anrufdauer, Standortdaten oder besuchte Webseiten – dem Schutz der Privatsphäre und dürfen von Dritten bis auf ganz wenigen Ausnahmen nur nach vorheriger Zustimmung genutzt werden.Zu dem am Dienstag in Brüssel vorgestellten Gesetzespaket gehören auch neue Bestimmungen, wie mit sogenannten Cookies und anderen zur Online-Werbung eingesetzten Verfolgungstechniken umzugehen ist. Die bisherigen Regelungen werden vereinfacht und gestrafft. Zugleich schlägt die EU-Kommission einen besseren Schutz gegen Spam vor. Unerbetene elektronische Kommunikation in Form von E-Mails, SMS oder auch durch Werbeanrufe soll gänzlich untersagt werden – sofern der Nutzer dem nicht zugestimmt hat. Als Möglichkeit sieht die EU-Kommission hierbei unter anderem die Einrichtung von Sperrlisten an.Die Vorschläge ergänzen die im vergangenen Jahr beschlossene Datenschutz-Grundverordnung, die ab Mai 2018 angewendet werden soll. Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige EU-Kommissionsvize Andrus Ansip forderte das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten auf, den neuen Vorschlägen rasch zuzustimmen, damit diese ebenfalls noch bis Mai 2018 angenommen werden können.Ansip machte aber zugleich auch deutlich, dass die EU-Kommission nicht nur den Datenschutz im Internet verbessern wolle, sondern auch den Datenfluss. Die EU schöpfe derzeit noch nicht ihr gesamtes Potenzial in der Datenwirtschaft aus, was unter anderem mit Hürden im grenzüberschreitenden Datenfluss zu tun habe, sagte er in Brüssel. Diese “ungerechtfertigten Beschränkungen” – technische oder rechtliche – sowohl beim Datenfluss als auch beim Datenzugang gelte es abzubauen.Öffentliche Konsultationen sollen die EU-Kommission bei dieser Frage in den nächsten Monaten weiterbringen. Aber auch das aktuelle Gesetzespaket enthält bereits Bestimmungen, die Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten bieten sollen. Stimmt etwa ein Nutzer der Verarbeitung seiner Kommunikationsdaten zu, sollen herkömmliche Telekombetreiber künftig mehr Optionen bekommen. Als Beispiel verwies die EU-Kommission auf das Erstellen sogenannter Heatmaps, aus denen hervorgeht, wo sich bestimmte Personen befinden. Dies könne Behörden oder Transportunternehmen bei der Entwicklung neuer Infrastrukturprojekte helfen, hieß es.Das Volumen der Datenwirtschaft in der EU 2015 wurde auf 272 Mrd. Euro geschätzt. Die Branche kommt auf ein jährliches Wachstum von fast 6 %. Das Volumen könnte sich Studien zufolge bis 2020 mehr als verdoppeln und auf einen Anteil von gut 3 % an der Wirtschaftsleistung in der EU kommen. Untersuchungen gehen davon aus, dass ein Abbau von rechtlichen oder verwaltungstechnischen Beschränkungen die jährliche Leistung der Branche um bis zu 8 Mrd. Euro steigern könnte.—– Wertberichtigt Seite 6