Brüssel über Verschuldung besorgt

Zwölf EU-Länder mit Ungleichgewichten - Deutscher Leistungsbilanzüberschuss bleibt in der Kritik

Brüssel über Verschuldung besorgt

Die EU-Kommission sieht nur wenig Fortschritte beim Abbau von makroökonomischen Ungleichgewichten in der EU. Sorge bereitet der Behörde vor allem die hohe Verschuldung in einigen Ländern. Von Berlin werden erneut mehr Investitionen gefordert. Drei deutsche Regionen sollen grüne Strukturhilfen erhalten. ahe Brüssel – Die EU-Kommission ist zunehmend besorgt über die Schuldenentwicklung in einigen Mitgliedsländern. Der öffentliche Schuldenstand der EU-Staaten ist nach Angaben der Brüsseler Behörde im Durchschnitt wieder gestiegen, womit der rückläufige Trend der letzten Jahre umgekehrt wurde. “In einigen Mitgliedstaaten verursacht der hohe öffentliche Schuldenstand Anfälligkeiten”, erklärte die Kommission bei der Vorlage ihrer jährlichen Länderberichte zur aktuellen wirtschaftlichen Situation.Zwar nehme die Verschuldung in vielen Mitgliedstaaten ab, aber nicht in jenen Ländern, die es am nötigsten hätten. Auch EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis bezeichnete die Verschuldung in einigen Mitgliedstaaten als “besorgniserregend”. Nötig sei eine striktere Finanz- und Steuerpolitik, um dem entgegenzuwirken, sagte er in Brüssel.In Griechenland, Italien, Portugal und Zypern liegt die Staatsverschuldung weiterhin über der Marke von 100 % des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die EU-Kommission verwies darauf, dass in Italien der gesamtstaatliche Schuldenstand sogar noch weiter zunehme – auch wenn die Pläne der Regierung in Rom dem Schuldenabbau nunmehr eher förderlich seien. In Spanien, Portugal, Irland und Kroatien hätten die hohen privaten, öffentlichen und Auslandsverschuldungen zu einer Reihe unterschiedlicher Schwachstellen geführt. In Rumänien mache sich eine ausgesprochen expansive Haushaltspolitik bemerkbar. Und auch in Frankreich ist der hohe gesamtstaatliche Schuldenstand noch nicht rückläufig.Insgesamt – nicht nur auf die Verschuldung bezogen – machte die EU-Kommission makroökonomische Ungleichgewichte in zwölf Mitgliedstaaten aus. Die Liste der Länder ist die gleiche wie im Vorjahr – lediglich Bulgarien wurde gestrichen. Laut Kommission hat Sofia bei der Stärkung des Ordnungsrahmens im Finanzsektor und in anderen regulatorischen Fragen “bedeutende Fortschritte” erzielt. Grüne Ziele werden überprüftWeiterhin sieht Brüssel aber in Griechenland, Italien und Zypern sogar “übermäßige Ungleichgewichte”. Italien kann in diesem Jahr allerdings wegen der zu erwartenden zusätzlichen konjunkturellen Belastungen durch das Coronavirus wohl erneut weitere Ausnahmen von den EU-Haushaltsregeln in Anspruch nehmen. Es gebe dafür durchaus Möglichkeiten innerhalb des Stabilitäts- und Wachstumspakts, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.In weiteren neun Ländern – darunter erneut auch Deutschland – wurden Ungleichgewichte festgestellt. Deutschland wurde erneut für seinen hohen Leistungsbilanzüberschuss kritisiert, ebenso wie auch die Niederlande. “In der derzeitigen Situation wäre ein Ausgleich sowohl der Defizite als auch der Überschüsse der jeweiligen Leistungsbilanzen geeignet, aus dem durch niedrige Inflation und niedrige Zinsen geprägten Umfeld herauszufinden und die Abhängigkeit von der Auslandsnachfrage zu verringern”, erklärte die EU-Kommission.Bei den öffentlichen Investitionen sieht die Brüsseler Behörde in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr aber immerhin Fortschritte. Mittlerweile gebe es einen Trend zu wachsenden privaten und öffentlichen Investitionen, hieß es in dem Länderbericht. Zudem hätten sich die Bedingungen für steigende Gehälter in Deutschland verbessert – ganz im Gegensatz zum Wettbewerb bei unternehmensbezogenen Dienstleistungen und reglementierten Berufen.Erstmals wurden in den Länderberichten auch Umwelt- und Klimaziele sowie die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung einbezogen. Diese Prüfungen sollen weiter ausgebaut werden.In diesem Zusammenhang legte die EU-Kommission auch eine erste Analyse vor, welche europäischen Regionen vom grünen Umbau der europäischen Wirtschaft am stärksten betroffen sein werden und damit von dem geplanten “Hilfsfonds für den gerechten Wandel” (Just Transition Fund) profitieren sollten. Für Deutschland schlug die Kommission drei von der Energiewende betroffene Regionen vor, die Hilfe erhalten sollen: das Lausitzer Revier in Brandenburg und Sachsen, wo rund 8 300 Menschen im Braunkohle-Tagebau arbeiten, das Mitteldeutsche Revier um Leipzig und in Sachsen-Anhalt, wo 2 400 Arbeitsplätze unmittelbar auf dem Spiel stehen, sowie das Rheinische Revier mit 8 960 Arbeitsplätzen im Braunkohle-Tagebau.