KOMMENTAR

Brüssel, übernehmen Sie!

Der große Paukenschlag blieb - wie erwartet - dieses Mal aus. Dafür hatte EZB-Chefin Christine Lagarde nach der EZB-Sitzung ein paar klare Botschaften parat - teilweise aber leider Botschaften mit Haken. Botschaft Nummer 1: Die EZB denke nicht...

Brüssel, übernehmen Sie!

Der große Paukenschlag blieb – wie erwartet – dieses Mal aus. Dafür hatte EZB-Chefin Christine Lagarde nach der EZB-Sitzung ein paar klare Botschaften parat – teilweise aber leider Botschaften mit Haken.Botschaft Nummer 1: Die EZB denke nicht daran, die für das Corona-Notfallanleihekaufprogramm PEPP veranschlagten 1,35 Bill. Euro nicht voll auszuschöpfen. Dahinter mag die Sorge stecken, dass die EZB nur umso mehr kaufen muss, je stärker die Märkte an ihrem Willen zu zweifeln beginnen. Und tatsächlich mag es für Spekulationen über ein geringeres Kaufvolumen zu früh sein. Aber trotzdem haben jene Euro-Hüter, die zuletzt erklärt hatten, dass es nicht zwangsläufig die ganze Summe sein müsse, einen Punkt: Wenn sich die Lage (weiter) besser entwickelt als gedacht, ist einfach weniger nötig. In jedem Fall aber dürfen die Märkte nicht reflexhaft von immer mehr Stimulus ausgehen. Dieser “Zentralbank-Put” kann gehörig nach hinten losgehen.Botschaft Nummer 2: Die EZB werde niemals zulassen, dass die Orientierung am EZB-Kapitalschlüssel die Effektivität von PEPP beeinträchtigt. Auch das ist verständlich: Kein Zentralbanker will Zweifel an seiner Handlungsfähigkeit aufkommen lassen. Aber Lagarde darf das Thema keineswegs auf die leichte Schulter nehmen. Und das nicht nur, weil es eine Gefahr für die neue Harmonie im EZB-Rat darstellt. Der Kapitalschlüssel und andere Selbstbeschränkungen haben selbst für den der EZB stets wohlgesonnenen EU-Gerichtshof beim Durchwinken der Anleihekäufe eine Rolle gespielt. Wenn das nun komplett über Bord geschmissen wird, droht womöglich Ungemach.Botschaft Nummer 3: Die EU-Granden, die sich ab heute zum Gipfel in Brüssel treffen, müssten nun sehr schnell zu einer Einigung auf den avisierten Wiederaufbaufonds nach der Coronakrise kommen. In dem Punkt liegt Lagarde völlig richtig. War die Krise bislang vor allem von Liquiditätsnöten geprägt, geht es nun zunehmend um Solvenzprobleme. Da sind aber die Regierungen gefragt, nicht die Zentralbank. Brüssel, übernehmen Sie!