Brüssel und Märkte sorgen sich um Italien
bl/ahe Mailand/Brüssel – Die Entscheidung der italienischen Regierung, das Budgetdefizit in den Jahren 2019 bis 2021 auf jeweils 2,4 % steigen zu lassen, löste heftige Reaktionen an den Finanzmärkten aus. Der Zinsabstand (Spread) zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen stieg zeitweise auf über 280 Basispunkte. Die Börse in Mailand gab um bis zu 4 % nach. Einige Banken verloren bis zu 10 % ihres Wertes.Nach einem wochenlangen Machtkampf mit Wirtschaftsminister Giovanni Tria hatten sich die Regierungspartner 5 Stelle und Lega am Donnerstagabend auf einen Defizitwert von 2,4 % geeinigt. Das sind deutlich mehr als die 1,6 % von 2018 und als die von der Vorgängerregierung für 2019 angepeilten 0,8 %. Vor allem die populistische 5-Stelle-Bewegung hatte massiv auf die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens von 780 Euro monatlich sowie einer gleich hohen Mindestrente gedrungen. Außerdem sind erste Schritte zur Einführung einer Flat Tax, die Absenkung des Mindestrentenalters von knapp 67 auf 62 Jahre sowie der Verzicht auf die von einer Vorgängerregierung zur Budgetsanierung beschlossene Mehrwertsteuererhöhung vereinbart worden. Darüber hinaus hat die Regierung eine großzügige Steueramnestie beschlossen.Nach einem Telefonat mit Staatspräsident Sergio Mattarella verzichtete Tria offenbar auf einen Rücktritt. “Niemand hat Tria je in Frage gestellt”, sagte Vizepremier und 5-Stelle-Chef Luigi Di Maio, aus dessen Partei der Minister massiv angegriffen worden war. Lega-Chef Matteo Salvini betonte, dass die Regierung eine Politik des Wachstums, des Vertrauens und der Hoffnung betreibe. Man werde diese Politik auch gegen den Widerstand Brüssels fortsetzen, der EU-Kommission aber die Pläne erläutern. Weber spricht von “Affront”In Brüssel wurde die Budgetentscheidung mit Sorge aufgenommen. Die EU-Kommission wollte sich nicht offiziell äußern und verwies darauf, dass Italien bis zum 15. Oktober den Haushaltsentwurf einreichen und dieser dann erst analysiert werden müsse. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici betonte aber in einem TV-Interview, die italienischen Schulden blieben “explosiv”. Die EU-Kommission habe kein Interesse an einem Konflikt mit Italien. “Aber wir haben auch kein Interesse daran, dass Italien die Regeln nicht akzeptiert und seine Schulden nicht reduziert.” Auch EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani zeigte sich “sehr besorgt”. Die Haushaltspläne der Regierung würden “die Beschäftigung nicht steigern, sondern sind ein Problem für die Ersparnisse der Italiener”, warnte Tajani, ein Vertrauter von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi. Der CSU-Politiker Markus Ferber, Sprecher der konservativen EVP-Fraktion im Wirtschafts- und Währungsausschuss, sprach von einem Affront gegenüber der EU-Kommission. Um ihre teuren Wahlversprechen zu finanzieren, ignorierten Salvini und Di Maio alle Vorgaben des Europäischen Semesters und brächten Italien immer näher an den Rand des Abgrunds.