KOMMENTAR

Brüsseler Realismus

Nein, eine "Revolution" oder komplette Umwälzung des europäischen Energiemarktes, wie es die EU-Kommission glauben machen möchte, wird das sogenannte Winterpaket nicht auslösen. Aber die mehr als 1 000 Seiten Gesetzesvorschläge enthalten zumindest...

Brüsseler Realismus

Nein, eine “Revolution” oder komplette Umwälzung des europäischen Energiemarktes, wie es die EU-Kommission glauben machen möchte, wird das sogenannte Winterpaket nicht auslösen. Aber die mehr als 1 000 Seiten Gesetzesvorschläge enthalten zumindest einige wichtige Korrekturansätze.Denn zum einen sind die Energiemärkte auch heute noch viel zu stark von nationalen Besonderheiten und Empfindlichkeiten geprägt. Sicher gibt es auf den Großhandelsmärkten schon gleichlaufende Preissignale. Das heißt aber noch längst nicht, dass man schon einen gemeinsamen und gut vernetzten Energie-Binnenmarkt hätte. Allein das Sammelsurium an unterschiedlichen und national ausgerichteten Fördersystemen im Bereich der erneuerbaren Energien hat wenig kompatible und ineffektive Strukturen geschaffen, die nicht so schnell wieder verschwinden.Die EU-Kommission setzt hier in Zukunft auf eine bessere Koordination, auf einheitlichere Vorgaben und auf einen insgesamt stärkeren EU-weiten Ansatz, was zum Beispiel auch der Verzicht auf nationale Effizienzziele unterstreicht. Stärkere Koordination hilft zudem nicht nur beim weiteren Ausbau von Wind- und Solarenergie, sondern auch bei der Entscheidung, welche fossilen Kraftwerke tatsächlich in Zukunft noch notwendig sind, um die Versorgungssicherheit aufrechtzuerhalten. In den vergangenen Jahren haben viel zu viele EU-Staaten mit ihrer rein nationalen Betrachtungsweise viel zu viele überflüssige Kapazitätsmärkte aufgebaut, wie jetzt auch noch einmal die Sektoruntersuchung der Europäischen Wettbewerbsbehörde bestätigt hat.Beifall hat die EU-Kommission auch für ihren Versuch verdient, die Erneuerbaren stärker in den Wettbewerb zu integrieren. Die Renewables haben mittlerweile eine Größe und Kostenstrukturen erreicht, die das auch möglich machen. Dass Brüssel hier wieder stärker in eine marktwirtschaftliche Ausgestaltung geht, muss kein Ausbremsen von Wind und Solar bedeuten, sondern sollte mittelfristig zu effizienteren Strukturen führen. Dass auf noch weitergehende europaweite Ausbauziele bei den Erneuerbaren verzichtet wurde und auch die Energieeffizienzziele nur moderat erhöht wurden, zeugt von einem neuen Realismus in Brüssel.So ganz ohne Überregulierung geht es aber auch beim Energiepaket nicht: Ob tatsächlich neue supranationale Organisationen für Übertragungsnetzbetreiber nötig sind, erschließt sich nicht so recht. Und ob Vorgaben für Parkplätze für Elektroautos wirklich sein müssen sicherlich ebenso wenig.