Bundesbank sieht "neue Normalität" für Geldpolitik

Notenbanker erwarten keine Rückkehr zu Status quo von vor 2008 - Börse-Chef Weimer attackiert EZB

Bundesbank sieht "neue Normalität" für Geldpolitik

ms Frankfurt – Auch nach der inzwischen eingeleiteten Normalisierung der extremen Geldpolitik der Krisenjahre wird sich die Geldpolitik nach Einschätzung führender Bundesbanker deutlich von jener vor 2008, also vor Beginn der Weltfinanzkrise, unterscheiden. Entsprechend äußerten sich am Freitag auf einer Finanzmarktkonferenz der Bundesbank und des International Bankers Forum die beiden Bundesbankvorstandsmitglieder Sabine Mauderer und Joachim Wuermeling.Mauderer, die seit Monatsbeginn dem Vorstand angehört und unter anderem für Marktoperationen zuständig ist, sagte, es sei “eher unwahrscheinlich”, dass die Geldpolitik zu der alten Normalität von vor 2008 zurückkehre. Man müsse sich “langfristig auf ein ,New Normal` einstellen”. In den vergangenen Jahren habe es große strukturelle Veränderungen gegeben. Ins Detail ging Mauderer bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt seit Dienstantritt nicht. Auch Wuermeling sagte, die Welt sei heute eine andere. Er verwies etwa auf veränderte regulatorische Vorgaben.Mit ihren Aussagen heizen Mauderer und Wuermeling die Debatte über eine “neue Normalität” für die Zentralbanken weltweit an. Die Frage, ob sich das Umfeld für die Geldpolitik fundamental verändert hat und folglich auch Mandate, Ziele und Strategien der Notenbanken angepasst werden müssen, gehört aktuell zu den zentralen Debatten in Notenbankzirkeln. Die Meinungen gehen dabei teils weit auseinander.Der Chef der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Agustín Carstens, hatte im Frühjahr im Interview der Börsen-Zeitung gesagt, dass die Zentralbanken kaum exakt zu der Situation wie vor der Krise zurückkehren würden. Es sei beispielsweise sehr wahrscheinlich, dass die Gleichgewichtszinsen heute niedriger liegen als früher. Zudem hätte die Krise neue Instrumente hervorgebracht. Er warnte aber davor, diese in Zukunft allzu leichtfertig einzusetzen (vgl. BZ vom 23. Mai).Bei der Konferenz in Frankfurt zeigte sich auch Philipp Hildebrand, Vizepräsident von BlackRock, überzeugt, dass für die Geldpolitik dauerhaft neue Zeiten angebrochen sind. Er begründete das zum einen mit dem technologischen Fortschritt. Dieser bringe radikale Veränderungen für das Funktionieren der Banken mit sicher. Zudem gebe es realwirtschaftliche Umbrüche. So sei es “plausibel”, dass der Gleichgewichtszins heute niedriger sei, sagte er. Elga Bartsch, Head of Economic und Markets Research beim BlackRock Investment Institute, sagte, dass die Zentralbankbilanzen dauerhaft größer sein dürften, weil das System mehr Überschussreserven benötige.Wuermeling, der im Vorstand früher für Märkte zuständig war und nun die Banken und Finanzaufsicht verantwortet, sagte auf der Konferenz, dass die Europäische Zentralbank (EZB) schon früher mit dem Ausstieg vor allem aus den Anleihekäufen hätte beginnen sollen. Die Bundesbank werde auf mehr Tempo drängen. Dabei gehe es auch darum, wieder Spielraum für einen künftigen Abschwung aufzubauen. Ähnlich hatte zuvor Mauderer dafür geworben, wieder “Wasser unterm Kiel” zu haben. Wuermeling warnte aber, der Exit stelle durchaus ein “erhebliches Risiko” für die Banken dar.Harsche Kritik an der EZB-Politik der vergangenen Jahre äußerte der Chef der Deutschen Börse, Theodor Weimer. Mit ihren direkten Interventionen an den Märkten habe die Notenbank zu großen “Verwerfungen” im System geführt. Die Märkte seien verzerrt. Er warnte, im Fixed-Income-Segment gebe es ein “riesiges, latentes Problem”. Die Anreizwirkung des Zinses sei ad absurdum geführt, sagte Weimer. Die Geldpolitik habe auch die Kluft zwischen Reich und Arm verstärkt.