Bundesbank warnt vor Aushöhlung neuer Regeln

Weidmann kritisiert Brüssel und die Euro-Staaten

Bundesbank warnt vor Aushöhlung neuer Regeln

ms Frankfurt – Bundesbankpräsident Jens Weidmann hat die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten davor gewarnt, die verschärften Fiskalregeln auf EU-Ebene gleich wieder auszuhöhlen. “Die bloße Existenz der ,neuen’, verschärften Regeln genügt nicht, die Regeln müssen tatsächlich auch angewandt und gelebt werden”, sagte Weidmann gestern in Berlin. Er hielte es “nicht für richtig, die Flexibilität der neuen Regeln gleich zu Beginn maximal auszureizen”, betonte er. Fehler nicht wiederholenIn dem Zusammenhang verwies Weidmann darauf, dass sich die Bundesbank in ihrem aktuellen Monatsbericht kritisch mit den jüngsten Entscheidungen der EU-Wirtschafts- und Finanzminister (Ecofin) zu den Defizitverfahren in den Euro-Ländern auseinandergesetzt habe. Die gewährten längeren Anpassungsfristen sollten “nur in gut begründeten Ausnahmefällen vorgenommen werden”, sagte Weidmann. Denn solche Abweichungen schwächten den Anreiz zur strukturellen Konsolidierung und verlagerten diese in die Zukunft. Würden die Ausnahmen für zahlreiche Länder gleichzeitig angewandt, untergrabe das die disziplinierende Wirkung der Fiskalregeln.Der Ecofin-Rat hatte Mitte Juni unter anderem beschlossen, Spanien, Frankreich, Slowenien zwei Jahre und Zypern sogar vier Jahre mehr Zeit zu geben, das Haushaltsdefizit unter die Marke von 3 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken. Der überarbeitete Stabilitäts- und Wachstumspakt und der neue Fiskalpakt erlauben Abweichungen, aber nur in strikten Ausnahmefällen.Weidmann befürchtet, dass Fehler der Vergangenheit wiederholt werden. Die im Maastricht-Vertrag verankerte Marke von 3 % sei durch “wiederholte Regelverletzungen” untergraben worden. “Dafür ist Deutschland maßgeblich verantwortlich”, sagte er und erinnerte damit daran, dass Deutschland zusammen mit Frankreich 2005 durchgesetzt hatte, die Vorgaben zu lockern.Neben der mangelnden Bindungswirkung der Defizitregeln nannte Weidmann in seiner Rede als weitere Gründe für die aufgetretenen Probleme in der Währungsunion, dass die Gefahr makroökonomischer Ungleichgewichte nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, die Bankenaufsicht in nationaler Verantwortung bleibe und die Disziplinierung der Staaten durch die Kapitalmärkte ausgehebelt worden sei. “Das gemeinsame Haus der Währungsunion ist also in vielerlei Hinsicht renovierungsbedürftig”, sagte er. Es bedürfe einer “gründlichen Sanierung” statt “provisorischer Schönheitsreparaturen”.Weidmann untermauerte erneut seine Forderung, dass Banken künftig auch für Staatsanleihen in ihren Bilanzen Eigenkapital vorhalten sollten und es Großkreditgrenzen für einzelne staatliche Schuldner geben solle. Er sei sich darüber im Klaren, dass eine solche Neuregelung jetzt in der Krise die Finanzierungsprobleme einzelner Länder verschärfen könnte. Deswegen halte er Übergangsfristen für vertretbar. “Falsch wäre es aber, aufgrund kurzfristiger Überlegungen auf eine solche Neuregelung ganz zu verzichten.” Zinsen nicht auf Jahre niedrigMit Blick auf die Geldpolitik im Euroraum betonte er, es gebe “Einigkeit” im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB), “dass die Geldpolitik die Krise nicht lösen kann”. Die EZB tue am besten daran, sich klar auf ihr primäres Mandat zu fokussieren: die Preisstabilität. In einem ebenfalls gestern veröffentlichten Interview im “Handelsblatt” sagte Weidmann, er “gehe nicht davon aus, dass die Zinsen über Jahre hinweg niedrig sein werden”.